Ziemlich
genau zwei Jahre nach der Uraufführung an der Semperoper in Dresden hat
nun das Staatstheater Mainz in Co-Produktion mit dem Staatstheater Darmstadt
den „Celan“ von Peter Ruzicka neu inszeniert. Ein Projekt, das besonders
wegen der Anforderungen an den großen CHOR nur von den beiden Bühnen zusammen
bewältigt werden konnte.
Nach
Claus GUTH machte sich jetzt Gottfried PILZ an eine Inszenierung und prüfte
damit erneut das Werk auf seine Bühnentauglichkeit. Bei einer zweiten
Inszenierung seien vergleichende Worte erlaubt. So läßt sich generell
sagen, daß da, wo sich Guth auf die Einzelheit der Szenen berufen hatte
(der Untertitel des Werkes ist „Musiktheater in sieben Entwürfen“), Pilz
versucht, eine fließende Geschichte zu erzählen. Dafür sind seine beiden
Hauptfiguren, der junge und der alte Celan (Vadim VOLKOV und Richard SALTER),
sehr viel extrovertierter, agieren viel mehr, als das in Dresden der Fall
war. Es gibt große Gefühle und weit ausholende Bewegungen, wo vorher kleine
Gesten und Manierismen gezeigt wurden.
Dabei
fließt die Geschichte eigentlich nicht. Ruzicka hat immer wieder betont,
daß er keine tönende Biographie geschrieben, sondern versucht habe, reale
Lebensstationen des 1970 durch Freitod verstorbenen Dichters zu zeigen,
und daraus hervorgehend, jeweils mehrere Möglichkeiten des weiteren Verlaufs
aufzeigen wollte. Aber auch dies wird von Pilz getragen, der in einem
überwiegend schwarzen Raum alle Wege offen hält. Hier ist er viel freier
als seinerzeit Guth, der durch Filmeinspielungen oder ausinszenierte Bilder
die Situationen immer wieder konkretisierte und historisch fixierte. Die
einzigen Filmsequenzen, die Pilz anbietet sind fließende Buchstaben als
Symbol für den Dichter und sein Schaffen, und fliegende Figuren a la René
Magrittes „Golconde“, sowie einmal ein Foto von Celan. Er überläßt vieles
der Phantasie der Zuschauer, so, als ob die Räume keine Rolle spielen,
und die Figuren und ihre Emotionen und Befindlichkeiten einzig wichtig
sind. So auch die von Celans Frau, hier Christine genannt (gesungen von
Patricia ROACH), der hier mehr Bedeutung und Eigenständigkeit z. B. als
Künstlerin zukommt.
Auch
die große Mittelszene, der vierte Entwurf mit dem Titel „Das Grauen“,
wird fast entpolitisiert, und der Chor singt seine Todesklage über das
Wort „Jerusalem“ in schwarzem Raum, nur von sich hebenden Neonlichtstreifen
begleitet. Am gesamten Abend herrscht somit volle Konzentration auf die
Figuren wie die Musik, und das was sie transportieren sollen.
Die
Musik wiederum befindet sich bei der Mainzer GMD Catherine RÜCKWARDT in
den allerbesten Händen. Sehr präzise und massiv kommt der Klang, der unter
Einsatz von viel Schlagwerk und Blech oft forte oder fortissimo ist und
selten Ruhe findet, aus dem Graben. Das PHILHARMONISCHE ORCHESTER DES
STAATSTHEATERS ist über die gesamte Dauer von gut zwei pausenlosen Stunden
sehr konzentriert.
Die
Aufnahme im Publikum war, wie so oft bei neuer Musik, gespalten, aber
Interesse und der Wille zur Auseinandersetzung war deutlich spürbar. Kerstin
Schröder
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