Berlioz‘
letzte Oper wurde 1862 in Baden-Baden uraufgeführt. Auf Shakespeares “Viel
Lärm um nichts” beruhend, hat Berlioz selbst das in Messina spielende
Libretto geschrieben. Nach seinen historischen Fresken “Les Troyens” und
“Benvenuto Cellini”, sowie seinem dramatischen Oratorium “Fausts Verdammnis”
ist “Béatrice et Bénédict” eine Opéra comique, d. h. der Fortschritt der
dramatischen Handlung wird durch den etwas langen gesprochenem Text bewirkt;
selbst eine Sprechrolle gibt es, und mehrere Sänger haben nur kurze musikalische
Passagen zu singen. Die Damen, Hero, Béatrice und Ursula, sowie der Tenor,
Bénédict, sind musikalisch am besten dran. Musikalisch ist die zweiaktige
Oper ganz im Sinne und der Tradition der Opéra comique, mit einigen prächtigen,
sehr sensuellen Arien, hübschen Couplets und sehr gelungenen, romantischen
Duetten und Ensembles. Natürlich hat der Gitarre spielende Berlioz sein
Lieblingsinstrument an mehreren Stellen eingesetzt.
Nach
der Rückkehr von General Don Pedro und den beiden Offizieren Claudio und
Bénédict als Helden von einer gewonnenen Seeschlacht gegen die Türken
steht der Hochzeit Heros mit Claudio nichts mehr im Wege. Die beiden Titelhelden
Béatrice und Bénédict sträuben sich gegen die Ehe (und die Liebe), die
sie als Sklaverei ansehen. Alle Freunde und die ganze Verwandtschaft komplottieren,
um die beiden zu verkuppeln. Die Intriganten munkeln, daß die beiden Turteltauben
gegenseitig ineinander verliebt seien. Béatrice geht schließlich in die
Falle, die ihr Cousine Hero, Ursula und Léonato stellen, ebenso wie Bénédict
in die von Claudio, Don Pedro und Leonato gestellte. Schließlich gibt
es eine Doppelhochzeit und ein Happy End! Make love not war!
Die
Produktion wurde aus Lausanne importiert (wie bereits einige sehr gelungene
andere vorher in Bordeaux). Wie in vielen Reiseinszenierungen sind die
Bühnenbilder (Jean-Marie ABPLANALP) auf das Wesentliche beschränkt. Eine
Wand mit einem Blumenstrauß in einem Fenster wird mit einem Brunnen, Bett,
Zaun oder drei hölzerne Badewannen ergänzt oder durch ein kleines Häuschen
und am Ende durch ein riesiges rosarotes Chrysler-Coupé ersetzt. In diesem
spärlichen Rahmen führen Jean-Marie VILLEGIER (bekannt durch seine prachtvollen
Inszenierungen von Barockopern) und Jonathan DUVERGER Regie und lassen
die durchwegs ausgezeichneten Sänger sich entfalten. Vor allem für die
Damen hat Patrice CAUCHETIER wunderbare Kostüme entworfen: das schulterfreie,
schwarze Kleid Béatrices und das weiße Heros, beide mit atemberaubenden
Dekolletés sind prachtvoll. Nathalie van PARYS choregraphierte das kleine
Ballett des Traums Béatrices. Bruno BOYER beleuchtete passend.
Bereits
in der Ouvertüre hört man ein Zitat aus “Harold en Italie”, das den italienischen
Rahmen andeutet. Nach der “Sicilienne” der Rückkehr der Helden, singt
die blendend aussehende Mireille DELUNSCH als Hero himmlisch ihre große
Eingangsarie “Je vais le voir”.
Die
ständigen Sticheleien zwischen den Titelhelden beginnen gleich darauf
in dem animierten Duett “Comment le dedain pourrait-il mourir?” Béatrice
verbindet dabei Bénédicts verletzten Finger. Die Streiterei geht bis zum
Schluß, wo die beiden aus lauter Gekeife fast zur Hochzeit Heros und Claudios
– sie sind die Trauzeugen - zu spät kommen und sich gegenseitig helfen
müssen beim Umziehen. Die bildschöne Béatrice URIA-MONZON als Béatrice
besitzt einen prachtvollen Mezzo, den sie mit Gefühl und sehr viel Temperament
einsetzt.
Eine
Augen- und Ohrenweide. In ihrem prachtvoll gesungenen Ausbruch “Je l’aime
donc” streckt sie die Waffen. Gilles RAGON lieh seinen schönen, wunderbar
geführten Tenor (er ist ein Barock-Spezialist) dem Offizier Bénédict,
der von seinen Kumpanen an der Nase herumgeführt wird. Blendend die Szene,
in der die drei in hölzernen Badewannen sich über die kommende Hochzeit
Heros und die Frauen im Allgemeinen unterhalten. Ausgezeichnet gesungen
und gespielt war sein animiertes Rondo “Ah, je vais aimer”, wenn er feststellt,
daß er “umfällt”.
Das
darauf folgende subtile Notturno- Duett des 2. Akts “Nuit paisible et
sereine” zwischen Hero und Ursula mit der ausgezeichneten jungen Elodie
MECHAIN, erinnert in der Subtilität an das Abschiedsterzett in “Cosi fan
tutte” und war ein Höhepunkt des Abends. Ebenso überzeugend war das Terzett
der drei jungen Damen “Et ton epoux restera ton amant”. Claudio war der
junge Ivan LUDLOW mit warmem Bariton und gutem Aussehen, der die schöne
Hero heimführte. In den kleineren Rollen waren Jérôme VANIER als Don Pedro,
Alain TRETOUT als besorgter Familienvater Léonato rollendeckend, ebenso
wie Jean SEGANI als polternder Somarone, der sein Trinklied (mit Gitarrenbegleitung)
passend sang. Alles endete in einen kurzen, lebendigen Finale mit beiden
Paaren verheiratet im rosaroten Straßenkreuzer: “L’amour est un flambeau”.
Alle fotografieren die beiden Paare.
Das
ORCHESTRE NATIONAL BORDEAUX-AQUITAINE unter Jean-Yves OSSONCE brachte
für die sympathische Partitur sehr viel Liebe und Stilgefühl auf. Nur
anfangs war ein wenig Unsicherheit in den Streichern zu hören, und der
Hornist kiekste. Der wie immer verlässliche CHOR der Oper (unter Jacques
BLANC) sang fröhlich und vergnügt. Viel Applaus für den sehr angenehmen,
gelungenen und sympathischen Nachmittag. wig.
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