Die
Vorwarnung bezüglich einer modernen Inszenierung ließ mich vorerst mit
gemischten Gefühlen zu der ersten Aufführung eilen. Allerdings half die
Vorwarnung nicht, daß ich mir im allerersten Moment, als sich der Vorhang
hob, einmal leicht die Augen rieb, blickt man doch auf eine moderne Villa
mit Swimmingpool inmitten eines großen Parks, Bikini-Nixen und einen Bademeister,
der eben diese mit einem Schlauch bespritzt. Nun, dieses Planschbecken
wäre durchaus entbehrlich gewesen, zumal das auch so eine "neue Idee"
ist, die fast jeder Regisseur verwendet, wie dero einst die ständigen
Kofferträger, passend oder unpassend.
Nachdem
ich diesen kleinen Schock überwunden und die Handlung ihren Lauf genommen
hatte, entwickelte sich sehr bald Wohlgefallen, und es zeigte sich, daß
Pier Luigi PIZZI eine sehr gut und bis zum letzten Takt durchdachte, moderne
in unsere Zeit verlegte Inszenierung auf die Bühne brachte. Von Vorteil
war sicher auch, dasßer für das Bühnenbild und die Kostüme ebenfalls verantwortlich
zeichnete, und die von ihm angestrebte Linie wirklich konsequent verfolgt
werden konnte. Ich war letztendlich von der Harmonie äußerst angetan und
sehr begeistert und wünschte mir solche qualitativ hochstehende Aufführungen
wesentlich öfter im Opernbetrieb.
"La
Pietra del Paragone" (der Prüfstein) wurde 1812 von Rossini komponiert
(also ein sehr frühes Werk) und auch im gleichen Jahr an der Scala uraufgeführt.
1812 war ein Jahr der regen Komposition bei Rossini, schuf er doch sechs
Werke. Musikalisch hört man bereits die "Italiana", "Barbiere" und anderes,
was dann später intensiver auskomponiert wurde. Eigenartiger Weise wird
das Werk weder in Italien noch außerhalb sehr oft gegeben.
In
Italien kann man sagen, gibt es alle 10 Jahre einen Boom, sonst kommt
es dann und wann am auf den Spielplan. An den anderen europäischen Bühnen
sind es eher die Festspiele, die dieses Werk aufgreifen, Glyndebourne,
Drottningholm, Llantilio, Wildbad, Wexford, um nur einige zu nennen, ein
Umstand, der mir nicht ganz verständlich ist, da es sich um ein sehr gefälliges
Werk handelt, gute Rollen bietet und auch der Spielfreude großen Freiraum
läßt.
Die
Geschichte ist natürlich nicht frei von Wirrnissen, denn sonst hieße es
auch wohl nicht "der Prüfstein". Ein detaillierte Inhaltsangabe, wie im
Programm, würde den Rahmen sprengen. Vielleicht nur so viel: der Conte
Asdrubale sollte sich doch einmal verehelichen, und hat die drei Damen,
die in die engere Wahl kommen, zu sich eingeladen. Die Witwe Marchesa
Clarice, die Baronessa Aspasia, Donna Fulvia. Ein weiterer Hauptakteur
ist Cavalier Giocondo, ein Poet und inniger Freund des Grafen, der seinerseits
Clarice liebt. Weiters anwesend zwei Freunde Macrobio und Pacuvio. Der
Graf inszeniert nun eine Prüfung. Er verliert angeblich all sein Hab und
Gut, und nur Clarice und Giocondo erweisen sich als wahre und innige Freunde,
halten zu ihm und wollen auch mit ihm teilen. Alle anderen paktieren sofort
mit den Gläubigern Asdrubales und wechseln die Seiten. Das damit noch
nicht das letzte Wort gesprochen ist, ist klar, Zur Freude aller stellt
sich aber heraus, daß alles ein Irrtum war, und der Graf seinen Reichtum
doch behalten kann. Nun ist aber Clarice verunsichert und macht ihrerseits
eine Prüfung , in dem sie als ihr Bruder Lucindo auftritt, um selbst die
wahren Intentionen des Grafen zu erforschen, indem sie ihre Pläne verlauten
läßt, doch Giocondo zu heiraten. Dieser hatte aber bereits zu Gunsten
des Freundes Asdrubales verzichtet. Auch sie erkennt alsbald, daß der
Graf nur sie liebt und somit steht einem fröhlichen und glücklichen Ende
nicht im Wege. Die kleinen Ränke und Wirrnisse dazwischen zu schildern,
die dem Werk auf der Bühne Gehalt geben, wäre etwas mühsam.
Das
Sängerteam hat eine sehr schöne und homogene Leistung gebracht. Die drei
Hauptpartien Clarice, Carmen OPRISANU, (ein warmer Mezzosopran, gut geführt,
sichere, präzise Höhen, elegante Gestalt), Graf Asdrubale Marco VINCO,
(25 Jahre jung, im 3. Jahr seiner Karriere, war die Entdeckung und Überraschung
des Abends für mich, eine schöne, kräftige Stimme, sehr geschmeidig und
daher keinerlei Probleme bei den Rossini'schen Koloraturen, sehr spielfreudig
und eine gute Bühnenerscheinung) und Giocondo Raúl GIMÉNEZ (wie immer
einwandfreie Höhen, herrliches Legato, makellose Diktion, stets Garant
für erste Qualität auf der Bühne auch durch seine Rollengestaltungen)
ragten dabei sehr stark heraus.
Die
anderen Darsteller boten ebenfalls gute Leistungen sowohl gesanglich,
als auch darstellerisch. Man merkte hier ganz allgemein die intensive
Probenzeit mit dem Regisseur und dem Orchester. Im Falle von Donna Fulvia
(Patricia BICCERÉ) hätte ich mir eine andere Klangfarbe gewünscht, aber
das ist wohl Geschmackssache. Aspasia (Laura BRIOLI), Macrobrio (Pietro
SPAGNOLI) und Pacuvio (Bruno de SIMONE) waren stimmlich und typmäßig schon
gut ausgewählt, es waren vielleicht dann und wann Kleinigkeiten, die besser
hätten sein können, aber das geht auch mit einer Tagesverfassung einher
(was ich bei der 2. besuchten Vorstellung am 18.8. bestätigt bekam. und
dieser noch eine bessere Beurteilung zuteil würde.)
Der
CHOR DI CAMERA DI PRAGA war von Lubomir MÁTL bestens einstudiert und auch
regiemäßig ausnahmsweise gut betreut. (Kleines Manko der Regie Pizzis,
er steckte Männer in Zimmermädchenkleidung- wäre nicht notwendig gewesen,
gefiel aber.)
Das
ORCHESTR des TEATRO COMMUNALE DI BLOGNA unter Carlo RIZZI spielte animierten
Rossini. Man konnte sich auch an Details erfreuen. Carlo Rizzi ist über
die Jahre ein Rossini-Spezialist geworden, der sich auch sehr um die Sänger
bemüht. So sollte es sein. Nur wenn alle Sparten harmonisch miteinander
verbunden werden, dann ergibt dies für den Zuhörer und Zuseher einen interessanten
Opernabend. EH
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