Wenn
man sich zu einem solchen Event begibt, weiß man als Fan der Musikgattung
„Oper“ im allgemeinen, was man zu erwarten hat. Auch, wenn man als optimistischer
Charakter die Hoffnung nicht aufgeben mag, es könnte besser werden als
erwartet. Fairerweise sei angemerkt, daß der Abend dem Großteil des Publikums
zu gefallen schien, was einerseits schön ist, denn viele der Anwesenden
werden ein Opernhaus selten bis nie betreten, andererseits aber traurig
macht, denn die wirkliche musikalische Schönheit von Verdis Werk wird
ihnen verborgen bleiben.
Doch
der Reihe nach.
Den
Hauptzweck als Sport- bzw. sogenannte Mehrzweckhalle kann die Kieler Ostseehalle
bereits beim äußeren Anblick und schon gar nicht beim Betreten nicht verbergen.
Überhaupt fror man nicht nur ob der kalt wirkenden Architektur, sondern
insbesondere aufgrund der Temperaturen im Halleninnern. Des weiteren gibt
es keine Schallisolation nach außen, so daß man nicht nur den Regen aufs
Dach plattern hörte, sondern „Di provenza“ eine völlig neue Note durch
die Unterstützung von Polizeisirenen erhielt. Es wäre also an der Aufführung
gewesen, so abzulenken, daß man diese Widrigkeiten vergaß.
Das
Bühnenbild von Rolf COFFLET ließ da hoffen. Nicht überladen, sondern praktisch,
wie es sich für eine Reiseproduktion anbietet, gab es einen einheitliches
„Grundgerüst“, das durch unterschiedliche Elemente (Türen, Vorhänge, Requisiten)
sowie eine raffinierte Lichtregie variiert wurde. Angenehm plüschig, aber
nicht kitschig und fern einer übertriebenen Deutung.
Etwas
mehr Deutung hätte die Inszenierung vertragen. Denn wofür laut Programm
ein Günter ROTH verantwortlich zeigte, war schlichtweg nicht vorhanden.
Wer von den Protagonisten spielen konnte (und wollte), tat es. Der Rest
beschränkte sich auf das an der Rampe stehen und die üblichen Klischeegesten.
Die Pariser Halbwelt existierte nicht. Nicht in Violettas Salon und überraschenderweise
auch nicht auf Floras Fest. Selbst dort war die Bühne mit lauter soliden
kleinbürgerlichen Menschen, angezogen wie zum Kaffeekränzchen, gefüllt.
Auch
Violetta selbst wirkte weniger wie eine umschwärmte Kurtisane. Sie erinnerte
mehr an ein gelangweiltes Kind aus gutem Hause, das noch nie ein Bordell
von innen gesehen hat. Sara GALLI ist noch recht jung, und dies mag der
Grund dafür sein, daß sie keines der Gefühle Violettas irgendwie greifbar
machen konnte (gerade hier wäre der Regisseur gefragt gewesen). Es gab
keinen Liebestaumel, kein „Die Welt dreht sich einzig um mich“ und kein
Leiden. Allein in der Szene mit Alfredos Vater blitzte so etwas wie Temperament
auf. Mimik und Gestik erinnerten streckenweise an Olympia aus „Hoffmanns
Erzählungen“. Stimmlich war ihre Leistung solide. Sie macht wenig falsch,
setzte aber auch keine Glanzpunkte.
Das
ist immerhin mehr, als man über Fernando DEL VALLE als Alfredo sagen konnte.
Was war schlimmer? Sein schlechtes Italienisch? Das Fehlen jeglicher Gesangslinie?
Das Dauerforte, in dem er sang? Oder die mit steter Sicherheit zu tief
gesungenen Töne? Nun, eigentlich mochte man wenig darüber nachdenken.
Es war einfach angenehm, wenn die von ihm zu singenden Stücke vorbei waren,
und so konnte man die fehlende Cabaletta Alfredos gut verschmerzen.
Fast
hätte der Gedanke, doch vorzeitig nach Hause zu fahren, die Oberhand gewonnen,
als – gerade rechtzeitig – Maurizio SCARFEO die Bühne betrat, und dem
Gedanken nach „vielleicht wird es doch nicht so schlimm“ wieder Hoffnung
gab. Giorgio Germont betrat die Szene mit darstellerischer und vor allem
stimmlicher Präsenz. Die musikalischen Vorbilder konnten einem zwar nicht
verborgen bleiben, doch hier stand jemand auf der Bühne, der wußte, was
er tat, und was er sang. Sein Bariton verfügte über eine interessante
Timbrierung, die man gern einmal ohne Mikrofon hören möchte.
Die
restliche Besetzung blieb mit der einen oder anderen Ausnahme innerhalb
der gesetzten Erwartungen. Gerty ARRAS als Flora mit Präsenz, Ingrid STRAUSS
(Annina) ohne Stimme, Ger KING (Douphol) mit etwas mehr davon, Anton KUHN
als Gaston, Mark MOROUSE (Marquis) und Lothar FRITSCH, ein betagter Grenvil,
seien hier genannt.
Der
CHOR klang solide, manchmal ein wenig uneinheitlich. Etwas mehr Action
hätte den Damen und Herren gut getan. Im ORCHESTER DER LORELEY-FESTSPIELE
steckt sicher mehr als das an diesem Abend Gehörte, doch unter Leitung
von Helge DORSCH werden die Damen und Herren wohl nie zeigen können, was
wirklich in ihnen steckt. Die Vorspiele wurden zerdehnt zu Gehör gebracht,
wodurch man z.T. nur mit Mühe das gerade gespielte Stück erkannte, und
auch den Sängern machte es der Dirigent durch seine langatmige Leitung
so manches Mal recht schwer. Ein echter Anti-Muti.
So
bleibt am Ende dieses Abends eigentlich nur ein Fazit: Leute, geht doch
ins Theater! AHS
P.S.
Bei der aufwendigen Gestaltung des Programmheftes hat man sich sicherlich
viel Mühe gemacht, doch bei einem Preis von stattlichen € 7,-- (in Worten:
sieben) wäre es schön gewesen, wenn jemand Korrektur gelesen hätte. Das
Werk strotzt vor Satzfehlern.
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