"The
Seasons" hätte es diesmal eigentlich heißen müssen, denn Haydns "Jahreszeiten"
wurden am 17. Juli 2011 in der Christkirche zu Rendsburg in einer englischen
Übersetzung des Dirigenten Paul McCREESH gegeben. Der hatte dafür wohl
mit der englischen Vorlage "The Seasons" von James Thomson (1700-1748)
argumentiert, von dem heutzutage allenfalls noch der Text zum berühmten
"Rule Britannia" bekannt ist. Aber erstens hatte der Librettist Gottfried
van Swieten sich selbst bereits auf die deutsche Übersetzung von Barthold
Heinrich Brockes gestützt und sich dabei durch die Verschiebung der Gewichte
zwischen religiöser Sphäre und Naturidylle sowie der Einfügung mindestens
zweier anderer Texte auch noch deutlich vom Original entfernt - und zweitens
hat Haydn nun einmal auf den deutschen Text komponiert.
Völlig
ohne Änderung bei der Noten-Silben-Verteilung kommt eine Übersetzung kaum
aus; und spätestens bei "Admire a charming and simple country lass" statt
"Blickt an die Tochter, die Tochter der Natur" bekomme ich vom Versmaß
her Magendrücken (McCreesh unterschlägt damit die von Haydn komponierte
Doppelung - und damit Hervorhebung - von "die Tochter") -, und selbst
das simple "Da seht mein Hannchen, seht" stimmt in "Behold my Hannah,
behold" in der Silbenzahl nicht mehr. Insofern erscheint das Ganze, vor
allem für eine Aufführung in Deutschland, als mehr denn zweifelhaftes
Unterfangen - aber wer weiß, vielleicht gibt es ja demnächst den "Parsifal"
in mittelhochdeutsch oder die "Elektra" auf altgriechisch; ein lohnendes
Feld, da es bei Aufführungen auch Tantiemen für den Übersetzer gibt, womit
die ganze Sache leider auch noch ein Geschmäckle bekommt.
Obendrein
war die Aufführung auch als solche für meine Ohren problematisch. Es scheint
leichter zu sein, einem jungen, nur für das Festival zusammengestellten
Orchester in kurzer Zeit technisch extrem schwierige Stücke einzustudieren
als ihm das vibratolose Spiel in den Streichern, das McCreesh als Spezialst
für alte Musik natürlich pflegt, nahezubringen. So wirkte manche Passage
des SCHLESWIG-HOLSTEIN FESTIVAL ORCHESTER denn auch eher mühvoll erarbeitet
und sehr starr im Klang. Zudem sorgten die mitunter arg rasch wirkenden
Tempi dafür, daß immer wieder über Details hinweggewischt wurde; aber
vielleicht erschien es auch nur als zu schnell, weil die Präzision unter
der gewünschten Art litt. Alte Musik in alter Spielweise ist eben etwas
für Spezialisten mit dementsprechenden Instrumenten oder zumindest ständige
Ensembles, die sich das in Ruhe erarbeiten können (Roger Norrington hat
beim SDR-Orchester Vorbildliches erreicht), ad hoc funktioniert so etwas
nicht.
Der
SCHLESWIG-HOLSTEIN FESTIVAL CHOR hatte mit weniger Schwierigkeiten dieser
Art zu kämpfen, Haydn verlangt einen nicht zu kleinen gemischten Chor,
insofern ist schlicht "normales" Singen angesagt - und das tat man mit
Einsatz und einer Klangfülle, die manchmal, möglicherweise raumbedingt,
etwas massiv wurde und Durchhörbarkeit vermissen ließ, was dem Spaß an
lauter frischen, jungen Stimmen aber nur wenig Abbruch tat.
Bei
den Solisten glänzte CHRISTIANE KARG auch in der für sie sicher ungewohnten
Sprachversion mit der Wortbehandlung der Liedersängerin, für die es keine
bedeutungslose Textzeile gibt. Zudem schwebte ihr leichter, extrem obertonreicher
Sopran immer mühelos über dem Orchester.
Bei
den Herren gefiel mir der mit einer relativ weißen, in der Höhe leicht
knapp werden Stimme ausgestatte, aber musikalisch und technisch absolut
tadelsfreie JEREMY OVENDEN besser als ANDREW FOSTER-WILLIAMS, dessen in
der Tiefe recht rauh timbrierter Baßbariton im Forte schnell zur Härte
neigte. HK
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