LIEDERABEND FELICITY LOTT - 2. August 2010

Ein besonderes Schmankerl gab es am 2. 8. in der ebenso innenarchitektonisch interessant ungewöhnlichen wie akustisch erfreulich guten Nikolai-Kirche in Plön mit einem Liederabend von Felicity LOTT und der Harfenistin Isabelle MORETTI. Die inzwischen dreiundsechszigjährige Sopranistin bewies in der Zusammenstellung einmal mehr ihren exquisiten Geschmack - und das sie sehr genau weiß, was sie ihrer Stimme noch zumuten kann; also keine großen Forte-Ausflüge in der Höhe oder dramatische Attacken, die ihrem immer lyrisch gebliebenen Organ ohnehin nur begrenzt zur Verfügung gestanden hatten, sondern feine Abschattierung in Dynamik und Farbe, ein sehr genauer Umgang mit dem Text und eine jederzeit stilvolle Gesangslinie, Eigenschaften, mit denen sie selbst einen Schmachtfetzen wie Martinis "Plaisir d'Amour" zur Kunst macht.

Begonnen hatte der Abend mit einem Harfensolo von Turlough O'Carolan (1670-1738), dem ein absolut intonationssauber a-capella gesungenes "Blow the wind southerly" folgte. Mit drei Volksliedbearbeitungen von Benjamin Britten ("The Ash Grove", der von Flotow in seiner "Martha" verwendeten "Last Rose of Summer" und "Quand j'etais chez mon père") blieb man zunächst auf der Insel, wobei die Vorlage für letzteres ja schon den Sprung über den Kanal macht, wo sich denn auch der Rest des Konzerts musikalisch abspielte . Auf den oben erwähnten Martini folgte Liszts "Oh! Quand je dors", gesungen mit einer schwebenden Tongebung und einer Variabilität noch in den leisesten Piani, wie ich es wohl noch nie gehört habe.

Nach einem Ausflug zu den Italienern (zwei Rossini-Liedern aus den "Soirées musicales" und einem herrlich schwungvollen "Me voglio fà ‚na casa" von Donizetti) verblieb man dann im zweiten Teil zunächst in Frankreich, nicht ohne Zwischenstation in Berlin-St. Petersburgs allerdings.

Isabelle Moretti, die kurz vor der Pause mit einer delikaten Harfenbearbeitung von Liszts "Le Rossignol" nachdrücklich Werbung für die solistischen Qualitäten ihres Instruments gemacht hatte, spielte die Fantasie über Motive aus Gounods "Faust" des in Berlin geborenen Harfenvirtuosen Eduard Albert Zabel (1834-1910), der die ganz große Karriere in Russland gemacht hatte; ein höchst überflüssiges Stück, das über technisch schwieriges Geklingel nicht hinauskommt und dafür entschieden zu lang ist...

Melodies von Messager, Poulenc, Fauré, Paul Bernard und Jean Lenoir waren freilich Entschädigung genug, Lieder, die im ein oder anderen Fall schon in Richtung Operette gehen und viel von ihrem Charme über die genaue Textbehandlung und eine Gesangslinie beziehen, die im Ton genau die Balance zwischen Sentiment und leichter Ironie halten muß. Und hierin ist Felicity Lott kaum zu übertreffen, nicht umsonst gilt sie auch in Frankreich als Meisterin in Offenbachs Operetten. Das hat so viel Charme, daß es auch die nicht immer erstklassige Qualität der Komposition herausreißt. Und das Nebeneinander von Faures "Clair de lune" und dem gleichnamigen Klavierstück von Debussy (für Harfe gesetzt natürlich) demonstrierte einmal mehr die sorgfältige Programmauswahl.

Am Ende wurde es geografisch bunt: Südamerika (zwei Lieder von Ginastera), Deutschland ("Liebe, du Himmel auf Erden" aus Lehars "Paganini"), "Over the Rainbow" - das bringt man eher mit Judy Garland in Verbindung, aber eine gesangstechnisch perfekte Variante, die das Lied trotzdem stilistisch nicht zur "hohen Kunst" werden läßt, hat auch ihren Reiz. Und als zweite Zugabe "Frou-frou", flottes musikalisches Cabaret von erfrischendem Witz, bei dem ihr nach der zweiten Strophe der Text abhanden kam; ein Blick in die Noten der Harfenistin, "ok", und weiter. Diese Mischung aus Können und Nonchalance macht die Abende der Lott so unwiderstehlich, und da sie in Isabelle Moretti eine gleichwertige Partnerin hatte, war der Abend das reine Vergnügen, auch wenn man natürlich konstatieren muß, daß die Stimme nicht mehr ganz die alte Frische hat - aber wie soll sie auch? HK