Ein
besonderes Schmankerl gab es am 2. 8. in der ebenso innenarchitektonisch
interessant ungewöhnlichen wie akustisch erfreulich guten Nikolai-Kirche
in Plön mit einem Liederabend von Felicity LOTT und der Harfenistin Isabelle
MORETTI. Die inzwischen dreiundsechszigjährige Sopranistin bewies in der
Zusammenstellung einmal mehr ihren exquisiten Geschmack - und das sie
sehr genau weiß, was sie ihrer Stimme noch zumuten kann; also keine großen
Forte-Ausflüge in der Höhe oder dramatische Attacken, die ihrem immer
lyrisch gebliebenen Organ ohnehin nur begrenzt zur Verfügung gestanden
hatten, sondern feine Abschattierung in Dynamik und Farbe, ein sehr genauer
Umgang mit dem Text und eine jederzeit stilvolle Gesangslinie, Eigenschaften,
mit denen sie selbst einen Schmachtfetzen wie Martinis "Plaisir d'Amour"
zur Kunst macht.
Begonnen
hatte der Abend mit einem Harfensolo von Turlough O'Carolan (1670-1738),
dem ein absolut intonationssauber a-capella gesungenes "Blow the wind
southerly" folgte. Mit drei Volksliedbearbeitungen von Benjamin Britten
("The Ash Grove", der von Flotow in seiner "Martha" verwendeten "Last
Rose of Summer" und "Quand j'etais chez mon père") blieb man zunächst
auf der Insel, wobei die Vorlage für letzteres ja schon den Sprung über
den Kanal macht, wo sich denn auch der Rest des Konzerts musikalisch abspielte
. Auf den oben erwähnten Martini folgte Liszts "Oh! Quand je dors", gesungen
mit einer schwebenden Tongebung und einer Variabilität noch in den leisesten
Piani, wie ich es wohl noch nie gehört habe.
Nach
einem Ausflug zu den Italienern (zwei Rossini-Liedern aus den "Soirées
musicales" und einem herrlich schwungvollen "Me voglio fà ‚na casa" von
Donizetti) verblieb man dann im zweiten Teil zunächst in Frankreich, nicht
ohne Zwischenstation in Berlin-St. Petersburgs allerdings.
Isabelle
Moretti, die kurz vor der Pause mit einer delikaten Harfenbearbeitung
von Liszts "Le Rossignol" nachdrücklich Werbung für die solistischen Qualitäten
ihres Instruments gemacht hatte, spielte die Fantasie über Motive aus
Gounods "Faust" des in Berlin geborenen Harfenvirtuosen Eduard Albert
Zabel (1834-1910), der die ganz große Karriere in Russland gemacht hatte;
ein höchst überflüssiges Stück, das über technisch schwieriges Geklingel
nicht hinauskommt und dafür entschieden zu lang ist...
Melodies
von Messager, Poulenc, Fauré, Paul Bernard und Jean Lenoir waren freilich
Entschädigung genug, Lieder, die im ein oder anderen Fall schon in Richtung
Operette gehen und viel von ihrem Charme über die genaue Textbehandlung
und eine Gesangslinie beziehen, die im Ton genau die Balance zwischen
Sentiment und leichter Ironie halten muß. Und hierin ist Felicity Lott
kaum zu übertreffen, nicht umsonst gilt sie auch in Frankreich als Meisterin
in Offenbachs Operetten. Das hat so viel Charme, daß es auch die nicht
immer erstklassige Qualität der Komposition herausreißt. Und das Nebeneinander
von Faures "Clair de lune" und dem gleichnamigen Klavierstück von Debussy
(für Harfe gesetzt natürlich) demonstrierte einmal mehr die sorgfältige
Programmauswahl.
Am
Ende wurde es geografisch bunt: Südamerika (zwei Lieder von Ginastera),
Deutschland ("Liebe, du Himmel auf Erden" aus Lehars "Paganini"), "Over
the Rainbow" - das bringt man eher mit Judy Garland in Verbindung, aber
eine gesangstechnisch perfekte Variante, die das Lied trotzdem stilistisch
nicht zur "hohen Kunst" werden läßt, hat auch ihren Reiz. Und als zweite
Zugabe "Frou-frou", flottes musikalisches Cabaret von erfrischendem Witz,
bei dem ihr nach der zweiten Strophe der Text abhanden kam; ein Blick
in die Noten der Harfenistin, "ok", und weiter. Diese Mischung aus Können
und Nonchalance macht die Abende der Lott so unwiderstehlich, und da sie
in Isabelle Moretti eine gleichwertige Partnerin hatte, war der Abend
das reine Vergnügen, auch wenn man natürlich konstatieren muß, daß die
Stimme nicht mehr ganz die alte Frische hat - aber wie soll sie auch?
HK
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