In
einem der vier besuchten Konzerte des SHMF kam dann auch der diesjährige
Länderschwerpunkt Polen zum Zuge, wobei der Fairness halber gesagt werden
muß, daß die polnische Musik insgesamt schon gut vertreten war, das schlechte
Verhältnis entsprang schlicht dem Zufall.
Stanislaw
Moniuszkos Opernerstling "Halka", 1847 zunächst privat in Vilnius und
elf Jahre später offiziell in Warschau uraufgeführt, genießt bis heute
quasi den Status der polnischen Nationaloper, hat sich außerhalb der Landesgrenzen
aber nur wenig durchsetzen können. Und Einspielungen außerhalb des Landes
hat es meines Wissens nur um 1950 herum sowohl bei der sowjetischen Melodya
als auch beim Prager Rundfunk also benachbarten "Bruderländern" gegeben.
Warum
ein Stück zur Nationaloper erkoren wird, hängt ja häufig genug nicht von
der Musik sondern vom Sujet ab. Und hier unterscheidet sich "Halka" durchaus
wohltuend von diversen anderen Werken, weil weder heroisch die Größe der
Nation gefeiert wird (wie bei Smetanas "Libussa" etwa), noch - mindestens
genauso heroisch - deren historische Niederlage. Das Ganze ist eine relativ
schlichte Dreiecksgeschichte, mit sehr deutlichem sozialkritischen Bezug
allerdings, geht es doch um eine Leibeigene, die am Verhältnis zum Adelsherren,
der sie schnöde sitzen läßt (der Bariton natürlich...), zerbricht. Da
die Leibeigenschaft im Zarenreich, das im 19. Jahrhundert in Warschau
das Sagen hatte, erst 1861 abgeschafft wurde, waren Probleme mit der Zensur
vorgezeichnet.
Musikalisch
finden sich immer wieder ganz bewußte folkloristische Anklänge, Moniuszko
versucht sehr eindeutig, den von Chopin in der Klaviermusik eingeschlagenen
nationalen Weg auf die Oper zu übertragen. Inwieweit ihm dies qualitativ
gelungen ist, möchte ich nach der konzertanten Aufführung im Kieler Schloß
allerdings nicht beurteilen. Allzusehr schien mir das Werk unter der Ausführung
zu leiden, was zum großen Teil am Dirigenten Lukasz BOROWICZ lag, der
die sicherlich zum ersten Mal damit befaßte NDR RADIOPHILHARMONIE aus
Hannover mit permanent hektischem Einsatz im Eiltempo durch die Partitur
hetzte, sodaß dynamische Differenzierungen und eventuelle instrumentale
Feinheiten auf der Strecke blieben.
Und
auch vokal gab es zumindest bei den beiden männlichen Hauptpartien Probleme.
Der erfolglos liebende Jontek ist eine Rolle für einen lyrischen Tenor
mit ein paar Ausflügen in dramatischere Gefilde, nicht für einen in die
Jahre gekommenen schweren Helden. Die Zeiten als Radames, Otello und Hermann
in der "Pique Dame" sind an Vladimir KUZMENKO nicht spurlos vorbei gegangen,
dem voluminösen und immer noch höhensicheren Organ fehlt die Geschmeidigkeit
in der Stimmführung und die Weichheit des Timbres, das ist alles sehr
solide, aber auch reichlich handfest.
Und
warum der als Liedersänger mit einem guten Ruf versehene englische Bariton
Konrad JARNOT den Janusz ins Repertoire genommen hat, blieb mir völlig
unklar; der nicht wirklich ergiebigen Partie, die obendrein ohne eigene
Arie auskommen muß, hätte eine virile Interpretation der Marke "potenter
Aufreißer" vielleicht Konturen verleihen können, aber es blieb bei - zugegeben
- sehr korrekt gesungenen Noten ohne Fleisch und Blut.
Deutlich
besser sah es bei den Damen aus. Urszula KRYGER war mit warmem Mezzo eine
wahre Luxusbesetzung für die standesgemäße Verlobte Zofia. Und Iwona SOBOTKA
zeigte als Halka (mit der das Stück schon ob der Größe der Rolle steht
oder fällt), wie man auch auf dem Podium einer Figur Leben einhauchen
kann. Das Organ selbst war gewöhnungsbedürftig, von einer eigenartigen
gläsernen Kühle - und mit den entsprechenden Schärfen in der Höhe - aber
gleichzeitig derart emotional eingesetzt, dass eine eindrucksvolle Mischung
aus "Feuer und Eis" entstand, die keinen Moment kalt ließ.
Solides
tat sich in den kleineren Partien, wobei hier vor allem einige Chorsolisten
des insgesamt hervorragenden WROCLAW PHILHARMONIC CHOIR auffielen. HK
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