SCHLESWIG-HOLSTEIN MUSIKFESTIVAL - 22. Juli 2010

Im Jahr 1989 lud der SHMF-Chef Justus Frantz das hierzulande völlig unbekannte Mariinsky-Theater aus St. Petersburg (das zu der Zeit noch das Kirov-Theater aus Leningrad war) samt seinem ebenso unbekannten Chef Valery GERGIEV im Rahmen des Festivals zu einem Gastspiel an die Hamburgische Staatsoper ein. Seitdem ist der Russe eine der festen Größen im Schleswig-Holstein-Sommer, die Auszeit, die er nahm, als Frantz hatte gehen müssen, blieb zeitlich begrenzt. Einer der angeblichen Gründe für die Trennung von Frantz war damals übrigens die zunehmende gefühlte Gleichzeitigkeit seiner Aktivitäten und Auftritte - ein Vorwurf, über den man angesichts Gergievs Terminkalender allenfalls noch milde lächeln kann....

Daß eine derartige Quantität der Qualität nicht unbedingt förderlich ist, bekam man leider zu hören. Das MARIINSKY THEATRE SYMPHONY ORCHESTRA lieferte unter seinem Chef vor allem virtuose Routine, woran das Programm allerdings nicht ganz unschuldig war. Rodion Schtschedrin walzt in seinem Konzert für Orchester Nr. 1 "Freche Orchesterscherze" eine nette Idee für fünf Minuten auf die dreifache Zeit in technisch ebenso anspruchsvoller wie musikalisch letztlich anspruchsloser Manier aus; da ist rhythmisch exakte Exekution gefordert, mehr kaum.

Und auch die Sinfonischen Tänze op 45 von Sergej Rachmaninov dürften selbst in einer klanglich raffinierteren Wiedergabe und mit besser disponierten Holzbläsern heute nurmehr begrenztes Interesse hervorrufen.

So lag das Hauptaugenmerk denn zwangsläufig auf der in Hamburg allzu selten auftretenden Elina GARANCA, die mit den Berlioz'schen "Nuits d'été" obendrein auch noch das bekannteste Werk des Abends hatte. Natürlich kann die Lettin singen; eine große, schöne, in allen Lagen ausgeglichene und technisch exzellent geführte Stimme. Aber sie ging über die - zweifellos geschmackvolle - Vorführung des Organs kaum hinaus. Die kleinen Raffinessen, die gerade im französischen Lied so wichtig sind, fehlten ebenso wie die unterschiedlichen Farben.

Und Gergiev nahm das Orchester mit einem recht verschwommenen Klangbild dermaßen zurück, daß die Delikatesse der Instrumentierung verloren ging. So blieb es denn eher "Star mit Begleitung" - "nice to hear", aber ohne größere Bedeutung.

Mit der zugegebenen "Baba Yaga" von Liadow zeigte Gergiev dann noch einmal, was er und sein Orchester mit einem effektvollen Reißer anstellen können; da bebt die Hütte - aber die Musik... HK