Um
"Heimat und Ferne, Vergessen und Gedenken" ging es am18. August im Hamburger
Rolf-Liebermann-Studio beim Doppelliederabend von Stella DOUFEXIS und
Dietrich HENSCHEL. Das auf den ersten Blick mehr als gemischte Programm,
in dem sich in bunter Abwechselung Schumann neben Reimann und Schubert
neben Rihm fand, erhielt seine Logik allein aus der literarischen Thematik.
Texte von Eichendorff, Hölderlin, Heine, Mörike und Nietzsche bildeten
das Gerüst für eine Reise, bei der Erinnerungen und stetiges Unterwegssein
im Vordergrund standen. Eichendorffs "In der Fremde" bildete dabei fast
eine Art Roten Faden, war es doch außer in der bekannten Vertonung Schumanns
auch noch in Versionen von Brahms und Hanns Eisler zu hören, der sein
nur die erste Textstrophe verwendendes Lied ausdrücklich "Erinnerung an
Eichendorff und Schumann" betitelt hatte.
Dazwischen
bot der Abend einiges Bekannte wie Schuberts "Der Wanderer an den Mond",
Wolfs "Heimweh" und einige Schumann-Lieder, vor allem aber nur selten
zu Hörendes aus neurer Zeit. Wer kennt schon noch Heimo Erbse (1924-2005),
der mit einer Mörike-Vertonung vertreten war. Zu den Arrivierten zählen
dagegen Aribert Reimann, Peter Ruzicka und Wolfgang Rihm, auch wenn die
Aufführungszahlen mit denen der "Klassiker" kaum mithalten können. Interessant
war hier vor allem, wie stark Rihm (geb. 1952) sich mit seiner sehr viel
sinnlicheren Kompositionsweise von den beiden älteren Kollegen (gegenüber
Ruzicka sind es gerade einmal vier Jahre) absetzt. Seine Nietzsche-Vertonungen
von 2001 erweisen sich gegenüber den 2007 entstandenen Hölderlin-Fragmenten
Ruzickas als geradezu postmoderner Klanggenuß. Ruzicka dagegen scheint
zunächst eher an Reimanns schon 1966 komponiertes "Nachtstück" und anderes
aus den großen Tagen von Darmstadt und Donaueschingen anzuschließen und
bekommt erst allmählich persönliche Konturen, die über die rein strukturelle
- irgendwie schon längst nicht mehr neue - Denkweise hinausreichen.
Als
recht unkonventioneller Kopf erwies sich dagegen der 1964 geborene Christian
Jost, dessen den Abend beschließendes Fragment aus "Das Urteil" von Kafka
nachdrücklich eigenes Profil erkennen ließ. Und Paul Dessaus 3 Lieder
für unbegleiteten Mezzo hatten zwischendrin ebenfalls für einen Akzent
außerhalb der gewohnten Pfade neuer Musik gesorgt.
Reichlich
Arbeit für die beiden Sänger also, die sie alles in allem hervorragend
bewältigten. Bei Dietrich Henschel, der sich vor allem bei Reimann, Rihm
und Ruzicka als hochmusikalischer und intonationssicherer Interpret erwies,
klang die Stimme in den Pianohöhen freilich oft angestrengt. Und auch
bei der Textverständlichkeit mußte er Stella Doufexis den Vortritt lassen,
die bei Dessau und Jost nicht nur eine hervorragende Sachwalterin moderner
Musik war, sondern mit ihrer Mischung aus Textauslotung und klangschöner
melodischer Linie auch der musikalischen Romantik zu ihrem Recht verhalf.
Am
Klavier leistete Axel BAUNI bei den pianistisch zum Teil extrem anspruchsvollen
Werken Schwerstarbeit, wobei er erfreulicherweise die Klangkultur nicht
zu kurz kommen ließ. HK
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