An
zwei Abenden in Lüneburg und Rellingen ging es hauptsächlich um jüdische
Komponisten und um jeweils einen bestimmten Ort - und doch hätten die
Gegensätze kaum größer sein können.
Nichts
von dem doch sehr großbürgerlichen Ambiente des Konzertes in Lüneburg
war beim Konzert von Anne SofieVON OTTER, Daniel HOPE und Bengt FORSBERG
am 27 August in der Rellinger Kirche mehr vorhanden. Hier ging es um Musik
in Theresienstadt, um die nackte Existenz ohne Happy End, denn von den
aufgeführten Komponisten überlebte nur Karel Berman den zwangsläufig irgendwann
erfolgenden Transport in die Vernichtungslager.
Berman,
später einer der führenden Bassisten des Prager Nationaltheaters, hat
nur weniges komponiert, u.a. eine Klaviersuite "1938-45 Reminiscences",
in der er seine Erlebnisse sehr direkt verarbeitete, die einzelnen Teile
beziehen sich jeweils auf bestimmte Stationen dieser Zeit. Vier pianistisch
höchst anspruchsvolle Sätze daraus ließen einen mit den Möglichkeiten
des Instrumentes sehr genau vertrauten Musiker erkennen, wenn auch nicht
unbedingt einen bedeutenden Komponisten.
Aber
darum ging es hier ohnehin nicht. Der Abend sollte eine Zusammenfassung
des Theresienstädter Musiklebens geben, bei dem auch das Kabarett nicht
fehlte (der Spruch "Humor ist, wenn man trotzdem lacht" wird dabei zur
fürchterlichen Wahrheit). Als Texter und Komponist fungierte zumeist Karel
Švenk (1917-45), der hier mit dem "Terezin-Marsch" vertreten war. Ebenfalls
in diese Richtung gehört das "Terezin-Lied", ein an Sarkasmus kaum zu
überbietender anonymer Text auf Musik aus Kálmáns "Gräfin Mariza".
Vieles
der unter den Gegebenheiten ungeheuer starken Kreativität ist verloren
gegangen, weil die Originale genauso wenig überlebten wie ihre Schöpfer,
und Drucke kaum stattfanden. So hat sich von Robert Dauber und Carlo Sigmund
Taube nur je eine Komposition erhalten, eine hochromantische Serenade
für Violine und Klavier und ein Lied. Viktor Ullmann und Pavel Haas sind
dagegen auch heute noch bekannte Namen, anerkannte Komponisten auch über
den historischen Kontext hinaus. Von Ullmann waren einige Lieder zu hören,
von Haas - leider nur - ein Satz aus der Klaviersuite op. 13.
Nicht
zum "offiziellen" Musikleben Theresienstadts gehörte Ilse Weber, die eigentlich
Kinderbuchautorin war. Sie schrieb ihre Lieder für die Kinder der Krankenstation,
die sie später freiwillig nach Auschwitz begleitete. Komplettiert wurde
der Abend mit Werken von Erwin Schulhoff, obwohl er als einziger nicht
in Theresienstadt, sondern in einem Lager für sowjetische Zivilisten interniert
war (er hatte als überzeugter Kommunist die sowjetische Staatsbürgerschaft
angenommen) und dort 1942 an Tuberkulose starb. Die je zwei Sätze aus
den Sonaten für Violine solo und Violine und Klavier sowie zwei Lieder
stammen aus den Jahren 1927 bzw. 1913 und sprengten insofern ein wenig
den zeitlichen Rahmen, blieben ob ihrer expressiven, harmonisch kühnen
Tonsprache aber nachhaltig haften.
Für
Anne Sofie von Otter war das Programm erkennbar mehr als nur irgendein
Konzert, was nicht nur an der ungeheuer intensiven Gestaltung, sondern
auch an den jeweils erklärenden Zwischentexten erkennbar war. Ihr Vater
war als schwedischer Diplomat von einem SS-Offizier sehr genau über die
Vernichtungslager aufgeklärt worden, und sie hat den in Schweden lebenden
älteren Sohn Ilse Webers kennengelernt.
In
Bengt Forsberg und Daniel Hope hatte sie zwei engagierte Mitstreiter gefunden,
zu denen sich als vierter Mann Bebe RISENFORS gesellte, der bei Bedarf
Akkordeon, Baß und Gitarre beisteuerte. HK
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