In
der nunmehr fünften Spielzeit von open-air-Vorstellungen im Alten Garten
in Schwerin litten die Schloßfestspiele, wie alle Veranstaltungen dieser
Art, an dem schlechten Wetter. Wir hatten allerdings Glück, es war ein
herrlicher Sommerabend, bis in den letzten zehn Minuten Regen einsetzte.
Die
Inszenierung von Bernd Reiner KRIEGER verfügt mit dem Bühnenbild von Lutz
KREISEL über eine reizvolle Spielfläche. Zum Schweriner See hin steigt
die Bühne an. Dort befindet sich der Galgenberg. Seitlich zu sehen sind
zahlreiche rote Holzvögel, darunter sitzt das Orchester. Das Museum hinter
der Bühne spielt den Riksdag. Die Natur tut ihr übrigens, wenn zu Gustavos
Lied bei Ulrica plötzlich die echten Möwen und Schwalben zum Flug über
das Publikum ansetzen, oder die Verschwörer umgeben von einem Schwarm
Mücken erscheinen. Die Kostüme von Giselher PILZ pendeln etwas unentschlossen
zwischen Ende des 18. Jahrhunderts und Zeitlosigkeit.
Der
Auftritt der Verschwörer am Galgenberg unter dem Galgen aus dem Nebel
kommend ist schön schaurig, Ulricas Auftritt in einer Art Jahrmarktswagen
ist eine gute Idee; was allerdings die verschiedenen schwarz-weißen Figuren
mit und ohne Stelzen auf dem Maskenbild symbolisieren sollten, hat sich
mir bis jetzt nicht offenbart. Die Personenregie hätte in manchen Szenen
ausgefeilter sein können; es muß wirklich nicht sein, daß sich Amelia
und Gustavo beim leidenschaftlichsten Liebesduett, das Verdi geschrieben
hat, nicht nur an unterschiedlichen Seiten der Bühne befinden, sondern
sich auch noch den Rücken zuwenden.
Gespielt
wird die schwedische Fassung, wobei der Bariton auch nicht mehr Renato
heißt, sondern vornamenslos lediglich Graf Anckarström. Das sorgt für
einen Moment unfreiwilliger Komik, wenn nach der Losszene in Gesellschaft
der Grafen Ackarström, Ribbing und Horn verkündet wird, auf dem Los stünde
”Il conte”.
Die
Besprechung der musikalischen Seite steht unter dem Vorbehalt, daß in
diesem Jahr die Tonanlage nicht gerade in Hochform zu sein schien. Da
klang vieles dumpf, wie unter einem Deckel gehalten. Zudem wurde der Klang
leise und verzerrt, sobald die Sänger sich mit dem Gesicht zum Orchester
stellten; das sollte eigentlich nicht passieren, wenn Mikrophone eingesetzt
werden. Speziell das Mikro von Amelia gab mehrfach Störgeräusche von sich.
José
AZOCAR hat eigentlich alles, um einen erstklassigen Gustavo zu singen:
gute Phrasierung, ein individuelles dunkles Timbre und Wissen um die Rolle.
Zudem hinterläßt er einen ausgesprochen sympathischen Eindruck, aber leider
hatte er mit einigen Tönen zu kämpfen, von denen ihm – ausgerechnet in
der großen Arie – zwei völlig wegbrachen. Es ist zu hoffen, daß es sich
um eine wettermäßige Indisposition handelte und nicht um ein dauerhaftes
gesangstechnisches Problem.
Die
gesangliche Krone des Abends gehört zweifellos Michele KALMANDI als Anckarström,
der die Partie mit weich strömendem Bariton sang. Ein so gut und klug
phrasiertes ”Eri tu” hört man nicht alle Tage. Das Hin- und Hergerissensein
zwischen Zorn und Verletztheit war ergreifend, ebenso wie zu Beginn die
abgeklärte Nachsicht gegenüber den Eskapaden seines Königs.
Auf
gleichem hohem Niveau die Amelia von Tatiana CHIVAROVA. Sie spann wunderschöne
Lyrismen, scheute auch piani nicht und schien in dieser Rolle stimmlich
wesentlich besser zuhause zu sein als 2001 als Abigaille. Sie schaffte
es, Amelia vom Ruch des armen Hascherls zu befreien, indem sie die Rolle
zupackender sang, als man es gewohnt ist. Sie setzte sich auch mehrfach
gegenüber dem unsensiblen Dirigat durch.
Weniger
erfreulich war die Ulrica von Hermine MAY. Von Bedrohlichkeit oder wenigstens
einer mysteriösen Erscheinung war weder in Spiel noch Stimme irgendeine
Spur, stattdessen zeigte sie rhythmische Unsicherheiten. Petra NADVORNIK
(Oscar) sprang fröhlich über die Bühne, die Stimme wirkte jedoch recht
klein und in der Höhe dünn.
Ein
echtes Vergnügen war es, den beiden Verschwörern Martin WINKLER (Ribbing)
und Marek WOJCIECHOWSKI (Horn) zuzusehen. Winkler, etwas knorriger im
Ton, und Wojciechowski mit der eleganteren Stimme ergänzten sich großartig
im Zusammenspiel und gefährlicher Ironie in den Kehlen.
Der
Cristiano von Herman WALLÈN fiel positiv auf durch seine lebendige Darstellung.
Als Richter und Diener ergänzten Christian HEES (gut) und Michael MARZALEK
(solide).
Wermutstropfen
des musikalisch eigentlich erfreulichen Abends war das Dirigat von Dietger
HOLM, der ausgesprochen schleppende Tempi wählte und nur in den seltensten
Fällen das Gefühlschaos auf der Bühne auch im Orchester stattfinden ließ.
Hinzu kommt, daß es mehr als einmal Koordinationsprobleme mit den Sängern
gab. Es kam auch wenig Hilfestellung vom Dirigenten, wenn Problemen auftraten,
speziell beim Tenor.
Die
MECKLENBURGISCHE STAATSKAPELLE SCHWERIN spielte ohne größere Patzer, die
Chöre (OPERNCHOR und EXTRACHOR DES MECKLENBURGISCHEN STAATSTHEATERS SCHWERIN;
RACHWAL-CHOR, SCHWERINER SINGAKADEMIE E.V.) unter der Leitung von Michael
JUNGE klangen zu Beginn etwas stimmschwach, was aber auch an einer ungenügenden
Verstärkung liegen könnte. Ab dem Galgenberg hatte sich dieses Manko gegeben.
Wegen
des einsetzenden Regens gab es weniger Applaus als verdient. Im nächsten
Jahr steht ”Rigoletto” auf dem Programm. Dann sollte auch einmal über
die Gestaltung des Programmheftes nachgedacht werden: Schwarze Schrift
auf dunklem Untergrund liest sich bei der vorhandenen Beleuchtung in der
Pause, wenn die Dunkelheit bereits eingesetzt hat, nicht sehr gut. Eine
solche Veranstaltung richtet sich auch an Leute, die nicht ständig in
die Oper gehen. Die wollen vielleicht noch die Handlung der zweiten Hälfte
schnell nachlesen, anstatt sie sich nach Wiedereinsetzen der Musik vom
Nachbarn erzählen zu lassen... MK
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