In
diesem Jahr boten die Schweriner Schloßfestspiele Verdis „Don Carlos“.
Zu den Positiva dieser Open Air-Vorstellungen gehören immer das wirklich
wunderschöne Ambiente zwischen den historischen Gebäuden des Theaters
und des Museums, dessen Freitreppe mit als Spielfläche dient sowie des
Schweriner Sees. Lutz KREISEL hat den Raum perfekt genutzt für die szenische
Einrichtung; Olaf ZOMBECK schuf historische, prächtige Kostüme.
Ebenfalls
größtenteils positiv ist die Inszenierung von Werner SALADIN zu werten,
der die Massenszenen sehr erfolgreich arrangiert und dem auch ein paar
hübsche Einfälle für die Personenregie hat. Wenn Philipp und Eboli während
Elisabeths erster Arie sehr sprechende Blicke wechseln, oder die verbrennenden
Ketzer am Ende der Autodafé-Szene in lautes Schreien ausbrechen, handelt
es sich nicht mehr um ein reines Spektakel, sondern interessantes Theater.
Sehr wirkungsvolle auch die Idee, einen von Philipps Schergen die Fahne
der Deputierten zerbrechen zu lassen, was diese dann jedoch keineswegs
daran hindert, fast trotzig die Reste zu schwenken. Die Stimme vom Himmel
ist eine Mystikerin, die bereits zu Beginn der Autodafé-Szene durch ihre
enorme Präsenz auffällt. Ingeborg OTTO singt mit klarer Stimme und bleibt
einem durch ihre Darstellung in dauerhafter Erinnerung.
Unter
diesen Umständen fallen ein paar kleinere handwerkliche Fehler nicht sehr
ins Gewicht, wenn z. B. Eboli zur Einleitung von Philipps Arie das Kästchen
der Königin bringt, nach rechts abgeht und dann von links wieder auftritt.
Viel störender fiel auf die gespielte Version auf. Es wurde die italienische
vieraktige Fassung gespielt, ergänzt um den Maskentausch von Königin und
Eboli. Allerdings waren zahllose Striche (insbesondere in den Cavantinen
des zweiten Bildes und den Duetten) zu beklagen, manche gar ohne jeden
Sinn. Wenn Philipp bei seinem letzten Auftritt sein „Si, per sempre“ schmettert,
vorher zwischen Elisabeth und Carlos jedoch keine Rede von „Addio per
sempre“ gewesen ist, fehlt seinem Text jeglicher Bezug.
Bei
den Sängern sind an erster Stelle die drei Bässe zu nennen, allen voran
der Philipp von Petri LINDROOS. Der Baß sang mit warmtimbrierter Stimme
und präsentem Spiel einen noch gar nicht so resignierten König, der offenbar
nach Möglichkeiten sucht, aus dem Machtkorsett, was er auferlegt erhielt,
zu entkommen, jedoch einsehen muß, daß dieses nicht möglich ist. Die Szene
mit dem Großinquisitor von Malcolm SMITH war der absolute Höhepunkt des
Abends. Smiths Stimme weist schon einen leicht brüchigen Klang auf, aber
in dieser Rolle ist das nicht schlimm, wenn denn wie hier noch alle Töne
kommen. Zudem war er erschreckend realistisch in seiner Darstellung. Schließlich
auf dem gleichen Niveau Thorsten GRÜMBEL als Mönch, der bereits bei seinen
ersten Tönen aufhorchen ließ. Da klang nichts ausgesungen oder überfordert,
wie man es häufig in dieser Partie hört, sondern purer Wohlklang gepaart
mit Autorität.
Auch
die Damen boten ein ordentliches Niveau. Therese RENICK wartete als Eboli
mit einem sehr dunkel timbrierten Mezzo auf, dem vielleicht die Koloraturen
nicht ganz so leicht fielen, die aber durch ihren direkten Zugang zur
Rolle beeindruckte. Der verrutschte Ton am Schluß von „O don fatale“ war
ein Unfall, der passieren kann, und der geschickt kaschiert wurde. Die
Elisabeth von Eva Maria TERSSON hatte in der oberen Mittellage einige
Schärfen aufzuweisen, teilweise klang auch die Stimme recht hart. Sie
hatte jedoch viel Power und unterlag nicht dem verbreiteten Irrtum, Elisabeth
als armes Hascherl darzustellen. Ulrike Johanna JÖRIS machte gesanglich
und darstellerisch alles aus dem Tebaldo.
Leider
war es um die Besetzung von Carlos und Posa nicht gut bestellt. Bruno
BALMELLI als Posa hatte wenigstens zu Beginn einige ansprechende Töne,
fiel dann aber immer weiter ab. Abgesehen davon, daß er sich in seinem
Kostüm nicht zu bewegen wußte, fehlte ihm das Vermögen zu differenzieren,
er sang gleichförmig vor sich hin, so daß man sich fragte, ob er überhaupt
wußte, worum es in dieser Rolle geht. An einigen Stellen konnte man Anzeichen
von Überforderung hören. Dies war jedoch noch gar nichts gegen die indiskutable
Leistung von Maurizio GRAZIANI in der Titelrolle. Es stellte sich sehr
die Frage, warum der Sänger so selbstverliebt über die Bühne stolzierte,
denn dazu hatte er wahrlich keinen Grund. Brüllte er zu Beginn sich durch
die Partie, versuchte er später einige Piani, die dann prompt in heiseren
verkratzten Tönen endeten. Auch er schien nicht zu wissen, um was es in
seiner Rolle eigentlich geht.
Lerma
war mit Kay-Gunter PUSCH rollendeckend besetzt. Die flanderischen Deputierten
(Hans-Joachim HÖLPER, Mateusz KABALA, Eckhard SCHEGLMANN, Michail TSCHERGOFF,
Dietmar UNGER und Erich ZDECHLIKIEWITZ) ergänzten nicht sehr homogen,
aber mit angemessenem Spiel.
Die
Chöre (CHOR DES MECKLENBURGISCHE STAATSTHEATERS SCHWERIN, RACHWAL-CHOR,
SCHWERINER SINGAKADEMIE E.V. und EXTRACHOR) erledigten ihre Aufgaben auf
hohem Niveau (Leitung Michael JUNGE). Die MECKLENBURGISCHE STAATSKAPELLE
SCHWERIN spielte unter der Leitung von Jörg PITSCHMANN fast tadellos.
Auch der Zusammenhalt zwischen Bühne und dem etwas entfernt plazierten
Orchester funktionierte. Daß es die eine oder andere Stelle mehr Brio
hätte vertragen können, steht auf einem anderen Blatt, aber bei diesen
Bedingungen ist dies schon fast zuviel verlangt. MK
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