Eine
wahre Sternstunde in Sachen Oper erlebte das B-Premieren-Publikum, das
sich zahlreich zu einer deutschsprachigen Aufführung von Dvoraks lyrischem
Märchen "Rusalka" im großen Haus des Mecklenburgischen Staatstheaters
einfand.
Die
Regie von Bernd Reiner KRIEGER überzeugt in nahezu allen Gesichtspunkten.
Rusalkas Auftritt geschieht in einem Rollstuhl. Somit schafft Krieger
es, das Leid von der Protagonistin zu intensivieren, und gibt dem Wassermann
einen weiteren Grund, seiner Tochter den Weg zur Hexe Jezibaba zu weisen,
die sie in einen Menschen verwandelt, was zugleich eine Befreiung vom
physischen Leiden bedeutet. Der Regisseur macht das aber nie zum Selbstzweck,
nach dem Motto: "Schau mal, die arme Rusalka sitzt im Rollstuhl". Sie
scheint mehr daran zu leiden, daß sie nicht mit dem zusammensein darf,
den sie eigentlich liebt, mit einem Menschen.
Leider
fällt das Bühnenbild von Lutz KRIEGER in den Außenakten ein wenig gewollt
ruinenartig aus, so daß die Stimmung eher aus der tollen Personenführung
und der Dunkelheit, die mir persönlich etwas zu stark ausfällt, resultiert.
Geradezu anrührend wirkt es, wenn die nun Mensch gewordene Rusalka ihren
Kopf schutzsuchend gegen die Schulter des Prinzen lehnt. Im zweiten Akt
läßt sich Krieger leider im ersten Teil, bei dem Duett Heger-Küchenjunge,
zu einer arg buffonesken Posse hinreißen, die an das Komödiantenspiel
in "I Pagliacci" erinnert mit stolpernden Kellnern etc. Die Bühne besteht
nun aus einem Ballsaal mit Büffet. Die Idylle des Liebespaares wird von
der fremden Fürstin gestört, die die beiden entzweit. Einer der eindringlichsten
Momente des Abends gelingt dadurch, daß der Wassermann beim Ball durch
den linken Seiteneingang kommt und mit seinem Speer, der ihm einen wotanesken
Habitus verleiht, einfach dort steht und dem Treiben zuschaut.
Auch
der angedeutete Kuß, bedarf einer Erwähnung. In diesem Akt zeigt sich
die Meisterschaft des Regisseurs, indem er quasi zwei Handlungen parallel
laufen läßt. Einmal den Monolog des Wassermanns und später das Duett mit
seiner Tochter, und im Hintergrund die Annäherung vom Prinzen an die fremde
Fürstin. Der dritte Akt spielt dann wieder in der Welt der Nymphen, Feen
und Wassermänner. Auch hier kann Krieger nicht davon ablassen, seine Posse
Heger-Küchenjunge weiterlaufen zu lassen. Rundherum ist es aber eine Produktion,
die sich nicht verstecken muß und in der nie der Fehler gemacht wird,
sich zu sehr auf die Zauberwelt zu verlassen.
Die
Kostüme von Giselher PILZ sind eher konventionell, aber erfüllen auch
ihren Zweck. Er benutzt für die fremde Fürstin ein intensives Rot und
kleidet die Hexe standesgemäß schwarz, Rusalka hingegen unschuldig-weiß.
Auch
die musikalische Seite kann sich durchaus mit großen Häusern messen. Allen
voran die grandiose Sabine PASSOW in der Titelrolle. Sie verfügt über
einen volltönenden Sopran, den man sich sowohl im jugendlich-dramatischen
als auch im Verdi-Fach vorstellen kann. In der Höhe hat sie gleichsam
einen weich-metallenen Kern, der sie ganz selten scharf klingen läßt,
aber was spielt das für eine Rolle, wenn der Rest perfekt ist?!. Sie singt
die Rusalka nicht nur, SIE IST RUSALKA. Mit berückend schönen piani und
einem herrlich flehentlichen Lied an den Mond (das auf deutsch einfach
nicht wirkt), sang sie sich ganz tief in die Herzen des Auditoriums. Hätte
Dvorak ihre Stimme gekannt, er hätte das Libretto umgeschrieben, ihr eine
andere Behinderung als Stummheit gegeben (Kleinwuchs oder so) und hätte
noch ein Liebesduett Prinz-Rusalka komponiert. So begnügte man sich eben
mit dem Gesang von Passows bloßer Gegenwart, denn die Frau hat nicht nur
eine tolle Stimme, sondern auch eine omnipräsente Ausstrahlung.
Leicht
gehemmt wirkte Marek WOJCIECHOWSKI, der dem Wassermann seinen schönen,
höhensicheren Baß schenkte. Man wünscht sich, daß er noch ein wenig mehr
aus sich heraus geht. Dennoch hat auch er eine tolle Ausstrahlung und
die richtige Statur.
Markus
PETSCH überzeugte als Prinz. Mit seiner baritonal gefärbten, etwas flackerigen
Stimme, die in der Höhe sehr rein klingt, stellte er die innere Zerrissenheit
gut dar. Sehr eindringlich war seine Schmähung gegenüber der armen Wasserfrau.
Er müßte noch etwas an seiner Bühnenpräsenz arbeiten, denn er sah manchmal
mehr wie ein Balletttänzer aus denn wie ein Prinz, was auch durch seine
enge Kleidung begünstigt wurde.
Dorothea
GEIPEL fehlt die Abgründigkeit, um die Hexe Jezibaba glaubhaft auf die
Bühne zu bringen, auch wenn die Partie an sich nicht wirklich böse ist.
Ähnlich verhält es sich mit Nancy WEIßBACH, die bei der fremden Fürstin
das stiefmütterlich-klischeehafte Element mehr hätte herausarbeiten müssen.
Christian
HEES fiel hauptsächlich durch lang gedehnte e's, eine leicht nervige Charaktertenor-Stimme
und seinen ausgestopften Bauch auf. Ulrike LUDEWIG gab den Küchenjungen,
wie in der Inszenierung vorgesehen, quirlig-burlesk. Petra NADVORNIK übertönte
als 1. Nymphe ihre Kolleginnen Ulrike Johanna JÖRIS (2.) und Barbara HEISING
(3.). Tomoji OKIOTAs Jäger fiel nicht weiter auf.
Einen
weiteren Glanzpunkt setzte der neue GMD Jörg PITSCHMANN, der mit der MECKLENBURGISCHEN
STAATSKAPELLE SCHWERIN ein Höchstmaß an Inspiration zauberte. Er ließ
das Orchester explodieren, schmachten, schwelgen, dahinplätschern, wie
es die Partitur eben vorsieht. Nur etwas weniger Lautstärke an einigen
Stellen, könnte nicht schaden. Unter Michael JUNGE machte der CHOR DES
MECKLENBURGISCHEN STAATSTHEATERS seinen kurzen Einsatz gut. Auch das EXTRA-BALLETT
des Hauses kann sich sehen lassen. Wolfgang Schmoller
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