Im
Salon von Lady Billows geht es edel und gesittet zu. Vornehme Steifentapeten,
ein gediegener Schreibtisch, Holzstühle für die Gäste, alles und alle
in schwarz-weiß. Über allem thront dabei die Standuhr (Bühne und Kostüme:
Jamie VATAN), die markig verkündet, wie die Zeit (davon) läuft. Wäre da
nicht der in der Uhr versteckte Alkoholvorrat von Lady Billows Haushälterin
Florence Pike, dieser Raum wäre ein Abbild der grauen Tugend. Und genau
um diese, die Tugend, geht es ja auch beim Komitee zur Wahl der Maikönigin
von Loxford. Schwer tun sich die Honoratioren der Stadt ein Mädchen zu
finden, das ihren strengen Kriterien entspricht. Die Zeit drängt, und
die Wahl fällt auf Albert Herring, der dann eben zum Maikönig wird. Denn
er ist Fleiß und Tugend und Freundlichkeit alles auf einmal, wie er so
im Gemüseladen seiner Mutter arbeitet.
Eric
Crozier hat diese herrliche Geschichte für Benjamin Britten in Worte gesetzt,
der sie mit kleinstem Orchester in Szene gesetzt hat. Und eine liebevolle
Umsetzung findet das Ganze in der Salzburger Inszenierung von Stephan
MEDCALF. Eine solch ausgefeilte Personenregie ist selten geworden. Medcalf
lässt keine seine Figuren jemals hilflos auf der Bühne stehen, immer sind
sie kauzig, nie albern, jeder erfüllt seine Rolle, ohne das das Ganze
zerfällt. Zum Beispiel während der "Krönungsfeier" von Albert. Am langen
Tisch sitzen die Wichtigen von Loxford und der eingeschüchterte Preisträger,
die Kinder wuseln umher, mal neben dem Tisch, mal drunter, und die Teenager
drücken sich in dunkle Ecken, für einen verbotenen Schluck aus der Flasche
oder einen Kuß. Und das alles unter einem Union Jack, der sich zum Ende
der Szene über die Feiernden senkt.
Nach
der Feier treffen wir Albert im Laden seiner Mutter wieder und werden
Zeuge einer wunderbaren Wandlung. Aus dem verschüchterten Jüngling mit
Pomade im Haar, Schürze und leicht gebeugter Haltung bricht, dank des
in die Limonade applizierten Rums, ein neuer junger Mann hervor. James
EDWARDS ist eine Idealbesetzung als Albert. Sein wandlungsfähiger, strahlender
Tenor und seine schauspielerische Ausgestaltung sind ein Genuß. Man meint
fast, daß der junge attraktive Mann, der nach Alberts Rückkehr von seinem
nächtlichen Ausflug ins Leben des Spiels, Alkohols und der Frauen den
Zorn der Honoratioren erregt ein anderer Darsteller sein müßte.
Das
ganze Ensemble scheint Spaß zu haben an seinen Rollen. Sei es Alexander
PUHRER als Sid, Astrid HOFER als Nancy, die Albert ja immer schon irgendwie
mochte, am Ende aber kaum die Augen von ihm lassen kann, Jennifer RHYS-DAVIES
als Moral bewachende Lady Billows, Susan GORTON als heimlich trinkende
Florence Pike, Monika WÄCKERLE als Alberts Mutter, Hege Gustava TJØNN
als eifrige altjüngferliche Lehrerin Miss Wordsworth, Gavin TAYLOR als
Pfarrer, Juan Carlos NAVARRO als Bürgermeister oder Krysztof BORSIEWICZ
als Polizeichef.
Abgerundet
wird das alles durch das feine Spiel der Musiker des MOZARTEUM ORCHESTERs
unter Kai RÖHRIG. Man sieht wieder einmal, daß es sich lohnt, sich einer
Geschichte mit allen ihren Feinheiten, Ecken und Kanten anzunehmen, das
Ergebnis ist ein Vergnügen für alle. KS
|