Die
Produktion der diesjährigen Osterfestspiele ist eine Bearbeitung von Sir
Trevor NUNNs Glyndebourne Inszenierung von 1992. Und es muß ja kein Nachteil
sein, wenn man ein bewährtes Konzept wieder aufgreift und den neuen Verhältnissen
anpaßt. Zumal bei einer an sich zeitlosen Interpretation wie hier.
Die
Bilder von John GUNTER sind frei den Edvard Munch’schen Landschaften entnommen,
und einmal blitzt in einer Szene zwischen Peter und Ellen dessen „Die
Einsamen“ durch. Die Vermischung mit der englischen Nordseeküste scheint
perfekt. Lange Küstenstreifen, die auf der breiten Bühne des Festspielhauses
große Dimensionen bieten. Ganze Straßenzüge mit Häuser- und Kirchenfronten,
ein Gerichtssaal, bei dem das gesamte Dorf drängend auf den Angeklagten
herunterblickt, wie bei einer Karikatur von William Hogarth. Aunties dunkle
Spelunke, völlig überfüllt im Sturm. All dies sind Bilder, extrem stimmungsvoll
ausgeleuchtet von David HERSEY, die die Geschichte des Außenseiters Peter
Grimes wunderbar erzählen könnten. Trotzdem geht das Konzept nicht ganz
auf.
An
der Musik kann es nicht liegen, denn Sir Simon RATTLE und die BERLINER
PHILHARMONIKER tarieren die Musik beeindruckend aus, in all ihrer gebrochenen
Rhythmik und ihrer Geborstenheit. Allein ihnen zuzuhören ist ein Genuß.
Zu
liegen scheint es an den Personen, die den Bildern das Leben erst einhauchen
müssen. Bei den Sängern, wo dies gelingt, sieht man, was diese Inszenierung
leisten könnte. So bei John TOMLINSON als Captain Balstrode, mit seiner
Menschlichkeit und Ruhe, oder beim Apotheker Ned Keene von Christopher
MALTMAN. Er versteht es, seine Rolle in der Umgebung zu plazieren und
auf das Äußere zu reagieren. Oder auch die Mrs. Sedley von Kathryn HARRIES,
die die Boshaftigkeit fast schon überzeichnet, was hier aber gut funktioniert.
Sowohl
stimmlich als auch darstellerisch schwach dagegen die Ellen Orford von
Amanda ROOCROFT. Sie bleibt hölzern und geht unter, statt ein Pol der
Wärme, Güte und Loyalität zu sein. Selbst eine Jane HENSCHEL als Auntie
schafft es nicht, ihrer Rolle die Lebendigkeit und Dominanz zu geben,
die sie in diesem Ambiente bräuchte. Gut zu Geltung kommen dagegen die
von Simon HALSEY perfekt einstudierten Chöre (EUROPEAN VOICES und Studenten
der GUILDHALL SCHOOL OF MUSIC AND DRAMA) als Abrundung des Genrebildes
und mit exzellent homogenem Klang.
Robert
GAMBILL als Peter Grimes findet erst in seiner letzten Szene ganz zu sich,
als er allein am Strand dem Wahnsinn nahe, gebrochen ist. Sein hin und
her gerissen Sein, sein abruptes Aufhorchen, wenn er die Dorfbewohner
aus der Ferne hört, letztlich seine Gefügigkeit, wenn Balstrode ihn aufs
Meer schickt, und all dies vor weiter einsamer Kulisse, da zeigt sich
die Stärke der Produktion. Denn bei aller Optik lebt das Stück ausschließlich
von den Menschen, von ihren starken Gefühlen, negativ wie positiv, und
da wo sie keine Chance haben ist alles verschenkt. KS
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