Selbst
die "Verkaufte Braut" ist eine Seltenheit in Frankreich. Die derzeitige
Produktion, die erst 2008 aufgenommen wurde, ist die erste im Repertoire
der Pariser Oper. Auch sonst sind tschechische Opern praktisch unbekannt,
mit Ausnahme von Janácek, der erst in den 1970er Jahren "heimisch" wurde
(und zuerst in Nancy und Lyon!). Aus dem Programm-Buch konnte man erfahren,
daß Smetana die Ouvertüre großteils schon 1863 geschrieben hatte und nach
längerem Zaudern ein einaktiges Singspiel mit Dialogen daraus machte,
das im "Provisorischen Theater" 1866 uraufgeführt wurde. Erst zwei Jahre
später wurden die Dialoge in Rezitative verwandelt und die Arien und Ensembles
in die heutige Form ausgebaut und im selben Haus 1869 gespielt. Daß die
Oper ein wenig Stückwerk ist, bemerkt man kaum, bis auf den etwas plötzlichen
Schluß. Smetana hat hier erstmals eine "große" Volks-Oper komponiert,
und die Nummern sind sehr ausgefeilt, wie z.B. Marenkas innige Arie "Wie
fremd und tot ist alles umher" oder das herrliche Duett Kecal/Jeník.
Die
Inszenierung des belgischen Regisseurs Gilbert DEFLO ist gelungen und
versetzt die Handlung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, denn Kecal kommt
in einem offenen, flaschengrünen Automobil von ca. 1920 auf die Bühne.
Die Bühnenbilder und Kostüme von William ORLANDI sind eigentlich recht
passend. Nur sind die einheitlich ockerfarbenen Häuser nicht dem tschechischen
Rahmen angepaßt; man denkt eher im Sahel oder in einer Wüstenoase zu sein.
Hell beleuchtet wurde die Bühne passend von Roberto VENTURI.
Der
Darmstädter GMD Constantin TRINKS leitete sehr lebendig die wunderbare
Musik Smetanas. Schon in der Polka und natürlich im Furiant war die böhmische
Atmosphäre garantiert. Trinks wußte auch die Sänger bestens zu führen
und das ORCHESTRE DE L'OPÉRA NATIONAL DE PARIS für die böhmische Musik
zu animieren. Eine sehr schöne Leistung, ein Dirigent, dessen Namen man
sich merken sollte. Der PARISER OPERNCHOR unter der Leitung von Alessandro
DI STEFANO sang und spielte mit Freude die ländliche Liebes-Geschichte.
Vervollständigt wurde der Abend durch die schöne Choreographie von Micha
VAN HOECKE, der keinen Tanzabend im Stil von Pina Bausch daraus machte.
Die
Sänger waren alle ausgezeichnet, angeführt vom Liebespaar. Inva MULA sang
die Marenka sehr innig und mit prachtvoller Stimme, die immer voller und
ausdrucksvoller wird. Ihr Liebhaber Jeník war mit Piotr BECZALA natürlich
bestens besetzt. Der polnische Tenor ist am Höhepunkt seiner Karriere
und sang prachtvoll. Als Kecal stellte Jean-Philippe LAFONT, nicht wirklich
ein Baß-Buffo, den geriebenen und angebenden Kuppler mit kräftig-derber
Verve dar. Er konnte seinen schönen Baß-Bariton bestens einsetzen, unterstützt
von seinem ebenso schönen, aber rauchenden Auto.
Als
Braut-Elternpaare waren Oleg BRYJAK (Krušina) und Isabelle Vernet (Ludmila),
sowie Jeníks Vater mit Michael DRUIETT (Micha) und Marie-Thérèse KELLER
als snobistische Stiefmutter Háta sehr gut besetzt. Den etwas beschränkten
Sohn Vašek gab Andreas CONRAD in passendem Bären-Kostüm, ohne zu outrieren,
eine tragische Interpretation. Ein Volltreffer war natürlich der Zirkusdirektor
von Heinz ZEDNIK - phantastisch. Die Tänzerin Esmeralda sang Valérie CONDOLUCI
amüsant und mit hübschem Sopran. Ugo RABEC als Indianer vervollständigte
die gelungene Aufführung.
Natürlich
waren viele Kinder in der Vorstellung, die herzlich und lautstark mit
den Eltern applaudierten. Ein sehr schöner Abend! wig.
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