"DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN" - 25. Juni 2010

Nach "Jenúfa" und "Makropulos" eine lustigere und leichtere Oper Janáceks. Interessant bei Janácek ist der rasche Wechsel in seinen Libretti. Obwohl der fast Siebzigjährige im "Schlauen Füchslein" seine Lebensphilosophie eines naturalistischen Pantheismus' darstellt, nimmt Janácek ohne Schwierigkeiten sozialkritische, phantastische, ländliche Vorlagen auf, selbst als letzte Oper das sibirische Straflager Dostoijewskis. Hauptsächlich in Hukvaldy komponiert, Janáceks Geburtsort im mährischen Schlesien, wo er 1921 seinem Bruder ein Haus abgekauft hatte, fühlt man die ländliche Gegend, die Janácek umgab, und der er immer treu geblieben war, trotz seines internationalen, allerdings späten, Ruhms.

Das Libretto hatte Janácek durch seine Haushälterin entdeckt, die jeden Tag laut lachte, wenn sie den Fortsetzungsroman der "Liška Bystrouška" von Rudolf Tesnohlídek in der Zeitung las, den Stanislav Lolek bebildert hatte, eine Art "Cartoon". Das Libretto der Geschichte ist ein Tiermärchen und eine Mahnung zur Achtung der Natur, das der Komponist aus dem Fortsetzungsroman herausgeschält hatte. Wie bei allen wirklich "großen" Komponisten, erkennt man Janáceks Pranke nach zwei oder drei Takten. Besonders in den Vor- und Zwischenspielen läßt er einen träumerischen und breiten Orchesterklang schwelgen, in der er die Natur besingt. Nur Richard Strauss hat das gekonnt, so viel aus dem Orchester heraus zu holen. Die Leitmotive der Hauptpersonen erscheinen immer wieder, und die ostinaten Passagen werden immer häufiger.

Die Erstaufführung von Leben und Tod der Bystrouška, der kleinen Füchsin kam 2008 an der Bastille Oper heraus und war ein Bombenerfolg, sicher der größte der Ära Gérard Mortier. Es war auch die erste Direktübertragung auf dem französischen Fernsehen (es gibt auch eine DVD davon). Man kann die entzückende Produktion allen empfehlen, und zukünftige Wiederaufnahmen sind sicher. Die Inszenierung von André Engel ist ausgesprochen gelungen und spielt nicht vor und im Försterhaus, sondern in dem eines Bahnwächters, und das Haus geht in ein großes Silo über. Aber die meisten Szenen spielen auf dem Gleise, das vor dem Bahnwächterhaus in einem Prellbock endet, und vor einem die ganze Szene beherrschende Feld von Sonnenblumen. Aus diesem Feld kommen die Tiere hervor, die Insekten springen darin herum, selbst König Hirsch präsentiert sich.

Die farbenfrohen Bühnenbilder stammen von Nicky RIETI, Engels langjähriger Kumpan, der hier wunderbare poetische Bilder erstellt hat. Auch die Begegnung mit dem Wilderer Harašta findet auf dem Bahngleis statt, aber diesmal ist es Winter, und alles ist verschneit. Die entzückenden Kostüme der ganzen Tierwelt sind - wie immer - von Elizabeth NEUMULLER, die ganz unglaubliche Dinge aus Stoff, Papier und verschiedenen Materialien produziert hat. Im Vergleich zu der farbenfrohen Tierwelt sind die Menschen banal und primitiv. André DIOT beleuchtete mit viel Geschmack und Sinn für Details die intime Atmosphäre. In völliger Einstimmung mit dem Regie-Konzept hatte Françoise GRÈS die Choreographie gemacht, vor allem der Hühner und der kleinen Füchslein.

Die Musik Janáceks scheint dem ORCHESTER DER OPÉRA NATIONAL DE PARIS sehr zu liegen, denn es spielte prächtigst, obwohl Dirigent Michael SCHØNWANDT bisweilen etwas laut war und Tendenz hatte, die Sänger zuzudecken. CHOR und KINDERCHOR der OPÉRA NATIONAL DE PARIS hatte Alessandro DI STEFANO mit großer Sorgfalt einstudiert. Die Probenarbeit war offensichtlich, und die Präzision - vor allem der Kinder - war bemerkenswert. Die große Nachkommenschaft Bystrouškas und ihres Gatten, vor deren Zahl beide keine Ahnung haben, war "zum Fressen süß".

Die junge Slowakin Adriana KUCEROVA hatte die Titelrolle inne, schlank, bildhübsch und mit einer ausgeprägten, vollen Stimme, die es auch mit dem Orchester aufnehmen kann. Sie ist außerdem eine flotte Turnerin, denn sie entflieht mit Schwung über die 2 m hohe Mauer. Ihr Gemahl, der Fuchs Goldfell, unternimmt diese Klettereien fast dauernd, schon um seine Schöne zu beeindrucken. Die große schlanke Tschechin Hannah Esther MINUTILLO, die hier schon oft zu hören war, spielte den schönen Fuchs, der sich u. a. auf dem Prellbock räkelt, mit Eleganz und prachtvoller Stimme, an der Grenze des Mezzosoprans. Ein ideales Paar!

Unter den vielen kleinen Rollen der Menschen gab es das Wiedersehen mit einigen alten Bekannten, durchwegs Überbesetzungen. Jean-Philippe LAFONT, großer Falstaff, Telramund und kürzlich noch Scarpia, war als Förster stimmlich und darstellerisch überragend, dem der Tod der kleinen Füchsin wirklich zu Herzen geht. Michèle LAGRANGE war die passend schimpfende Förstersgattin, die ständig um ihr Hühnervolk bangt, besonders seit Bystrouška da ist. Der Lehrer von Luca LOMBARDO war passend gehemmt und trübsinnig. Auch der Pfarrer von Gregory REINHART lebte in ständiger Melancholie. Paul GAY gab dem Wilderer Harašta die passende Stimme, aber auch die entsprechende Frechheit, ein Kabinettstück für diese kleine Rolle. Der Wirt des Dorfes, Nicolas MARIE, konnte dem Förster das letzte Glas auf dem Heimweg nicht versagen und Anne-Sophie DUCRET als seine Frau keppelte recht fest.

In der Tierwelt ging es ebenso fidel zu: als sentimentaler Dackel war Letitia SINGLETON sehr passend; sie sang nicht nur gut die kleine Rolle, sie wackelte auch passend mit den Ohren. Slawomir SZYCHOWIAK war der Dachs, der aus seinem "Bau" in einem Betonrohr auf einem Draisinen-Wägelchen verjagt wird, ein wirklicher Gentleman in dunklem Pelzmantel. Als stolzer Hahn thronte Elisa CENNI über der Hühnerschar. Sie sang auch den Häher passend. Natacha CONSTANTIN war eine überhebliche Schopfhenne. Die Grünspechte wurden von Ghislaine ROUX angeführt. Eine der beiden Gelsen, Paul CRÉMAZY, zapfte mit einer großen Spritze dem schlafenden Förster Blut ab. Michèle Lagrange war auch eine passend keppelnde Eule, die an Bystrouškas Lebenswandel Anstoß nahm. Es gab noch zahlreiches anderes, nicht genanntes Getier, wie den Hirsch, mit Gattin und Tochter, einen Igel, Libellen, Hasen, eine Raupe, die Drachen steigen läßt, es krabbelte nur so im Frühjahr im Sonnenblumenfeld. Entzückend!

Große Freude des vollen Hauses mit vielen Kindern und Jugendlichen. Ganz großer Applaus, besonders für das Füchse-Paar. Ein sehr erfreulicher Abend! wig.