"Béatrice
et Bénédict" wurde am 9. August 1862 zur Eröffnung des Opernhauses in
Baden-Baden uraufgeführt. Diese Opéra-comique in zwei Akten ist Hector
Berlioz' letzte Oper. Der Komponist hat selbst das Libretto nach Shakespeares
"Much Ado About Nothing" verfaßt, das aus viel gesprochenem Text besteht.
Mehrere Sänger haben nur kurze Passagen zu singen, und es gibt sogar zwei
Sprechrollen. Einzig die Damen Héro, Béatrice und Ursule, sowie Bénédict,
der Tenor, haben wirkliche Rollen.
Die
Handlung spielt im mittelalterlichen Messina. Nach der Rückkehr von Claudio,
Bénédict und General Don Pedro von einer gewonnenen Schlacht gegen die
Mauren werden die drei von Leonato, dem Gouverneur von Messina, als Helden
empfangen. Der Hochzeit Claudios und Héros steht nichts mehr im Wege.
Héros Cousine Béatrice und Bénédict leiden jedoch an "Matrimoniophobie".
Doch die Freunde und Verwandtschaft wollen die beiden verkuppeln, indem
sie das Gerücht verbreiten, daß die beiden Dickköpfe in einander verliebt
seien. Béatrice geht schließlich in die Falle, die ihr Héro und Ursule
gestellt haben, ebenso wie Bénédict in die von Claudio, General Don Pedro
und Leonato gestellte. Doppeltes Happy end!
Für
die Aufführung haben Dan Jemmett und Bob Goody das verkappte Libretto
adaptiert und die Schwächen des Textes etwas behoben, indem sie die Handlung
in ein sizilianisches "Puppi" Marionetten-Theater transponiert haben,
die auch solche Helden-Geschichten spielen. [Solche winzige "Puppi"-Theater
(maximal 50 Plätze) gibt es in allen größeren Stadt Siziliens - in Palermo
gibt es mindestens vier davon, aber auch in Catania, Messina, Syracusa,
Monreale.] Bob GOODY ist auch der Marionettist Alberto, der Texte verschiedener
Personen (auf englisch, französisch übertitelt) aus einer alten Shakespeare
Ausgabe vorträgt und sozusagen als Zeremonienmeister und Erzähler die
Handlung leitet. Während der Arien bessert er beschädigte Puppi aus...
Die
Inszenierung von Dan JEMMETT ist deshalb sehr stilisiert. Wie sizilianischen
Puppi sind alle Personen grell geschminkt, haben maskenhafte, glänzende
Gesichter und bewegen sich ruckhaft wie Marionetten und sitzen mit gesenktem
Kopf herum, wenn sie untätig sind (Kostüme Sylvie MARTIN-HYSZKA). Alberto
klopft mit einer Rute auf den Boden als Zeichen, daß sie sich beleben
sollen. Das Einheits-Bühnenbild von Dick BIRD ist eine Reproduktion einer
Puppi-Bühne, wo riesige Köpfe eines Ritters und einer Edeldame im Hintergrund
schräg herein gucken, einem eben so riesigen Schwert in der Mitte der
Bühne, das als Bank dient.
Im
2. Akt stehen die beiden Büsten Ritter und Edeldame aufrecht und reichen
bis zum Schnürboden, sowie ein paar große Ritterfäuste mit Schwertern
an beiden Seiten. Verschiedenen Ansichten rollen im Hintergrund auf- oder
ab. Ein ca. 2 x 2 Meter grosses Puppi-Theater kommt einmal von Schnürboden
herunter, auf dem die männlichen Intriganten statisch ihre Texte spielen,
das zweite Mal bleibt es (absichtlich) auf halber Höhe hängen, worauf
Alberto ein kleines, halb so großes Theaterchen herein rollt, wo u. a.
Béatrice und Bénédict (aber nur die Köpfe der Sänger) sich keilen. Für
die ausgezeichnete Beleuchtung hatte Arnaud JUNG gezeichnet.
Musikalisch
war die Aufführung auf gutem Niveau. Emmanuel KRIVINE dirigierte das von
ihm gegründete, auf Originalinstrumenten spielende, luxemburgische Kammerorchester
"LA CHAMBRE PHILHARMONIQUE". Es spielte in den elegischen Szenen sehr
stilgerecht. wo Krivine die Berlioz'sche Melodien gut entfalten konnte.
In den flotten Szenen fehlte es ihm etwas an dem Schwung, den Berlioz'
Musik braucht. Der ausgezeichnete Kammerchor "LES ELEMENTS", von seinem
Chef Joël SUHUBIETTE bestens einstudiert, sang mit sichtlicher und hörbarer
Begeisterung das Hofpersonaal des Gouverneurs von Messina und beteiligte
sich auch an den Umbauten, z. B. den Aufbau der Hochzeitstafel. Die Sänger
bestritten auch die verschiedenen höfischen Tänze (Choreographie Cécile
BON).
Die
größtenteils britischen Sänger waren alle hervorragend und in ihrer französischen
Diktion beispielhaft, vermutlich auch der ausgezeichneten Studienleiterin
der Opéra-comique Nathalie STEINBERG zu danken. Einige der meist jungen
Sänger hatten sich hier bereits im vergangenen Jahr bei Brittens "Albert
Herring" hervorgetan. Vor allem die Stimme des Bénédict von Allan CLAYTON
hat sich sehr positiv entwickelt. Sein gut geführter Tenor hat an Kraft
gewonnen und er singt mit großen Ausdruck und Temperament. Seine große
Arie "Ah, je vais l'aimer" war voll von Begeisterung und jugendlichem
Feuer. Auch Ailish TYNAN als Héro war schon im Vorjahr zu hören. Sie besitzt
einen jugendlich-dramatischen Sopran im Kommen. Gleich zu Beginn sang
sie "Il me revient", und man kann sich bereits auf ihre Rezia oder Elisabeth
freuen.
Eine
temperamentvolle Béatrice, die gar nicht ans Heiraten denkt, war Christine
RICE. Sie besitzt einen wunderbaren dunklen Mezzo. Die erste elegische
Liebesarie im 2. Akt "Il me revient, le jour du départ" sang sie intensiv
und innig, mit guter Führung der schwierigen Kantilene Berlioz'. Sie kann
aber auch eine sehr mühsame Person sein, wie sie in dem drauf folgenden
herrlichen, sehr durchkomponierten Terzett der drei Frauen zeigte, wo
Élodie MÉCHAIN als Ursule ihren schönen warmen Alt beitrug.
Die
weiteren Rollen sind alle musikalisch sekundär. Claudio hat noch etwas
zu singen, was Edwin CROSSLEY-MERCER bestens tat. General Don Pedro beschränkt
sich auf kleine Einwürfe, von Jérôme VARNIER ebenfalls passend gespielt.
Sehr treffend war Michel TREMPONT mit 81 Jahren (!) als Somarone, der
hier nicht nur stimmfest den Wein von Syracusa besang, sondern auch zum
Chorleiter avancierte und den Chor vor der 1. Reihe im Parkett dirigierte.
In der Sprechrolle des Gouverneurs von Syracusa, Leonato, war Giovanni
CALÒ Seht leutselig. Bob Goody als Alberto, der Marionettist und Sprecher,
wenn er nicht Puppi anmalte, trank Whiskey und bediente alle damit (aber
immer daneben) und hatte alle Hände voll zu tun, mit einem Lappen das
Verschüttete aufzuwischen. Der Bote war David LEFORT.
Ein
sehr vergnüglicher und musikalisch erfreulicher Abend, begeistert vom
Publikum aufgenommen. wig.
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