Nachruf:
Mit den zwei letzten Produktionen nahm die Direktion von Gérard Mortier
Abschied vom Publikum der Pariser Oper, welche die ganze Misere dieser
Direktion zusammen fassen. In dieser von Skandalen und Kontroversen geschüttelten
Periode sind allerdings auch einige schöne Erfolge zu verzeichnen gewesen.
Höhepunkte waren die Produktionen von Hindemiths "Cardillac", Martinús
"Juliette", Charpentiers "Louise" und besonders Halévys "La Juive" (73
Jahre nach der letzten Aufführung an der Pariser Oper!). Auch drei Janácek-Opern
wurden mit Erfolg ins Repertoire aufgenommen: "Aus einem Totenhaus", "Die
Sache Makropoulos" und "Das schlaue Füchslein".
Eine
außergewöhnlich denkwürdige Uraufführung fand 2006 statt: "Adriana Mater"
der finnischen Komponistin Katija Saariaho auf einen hoch interessanten
Text des franco-libanesischen Schriftstellers Amin Malouf. Daß die scheidende
Direktion nicht in der Lage war, den "Ring des Nibelungen" heraus zu bringen
und nicht einmal "Walküre" bieten konnte, ist wohl ein großer Minus-Punkt.
Ebenso ist das italienische Repertoire recht kurz gehalten worden, von
Bellini bis Puccini, vom Verismus ganz zu schweigen. Auch die französische
Oper ist zu kurz gekommen.
Es
war von Beginn an bereits vorauszusehen, daß die Wahl der Regieteams nicht
immer die beste sein würde. Einige katastrophale Inszenierungen werden
lange in Erinnerung bleiben, wie der kürzliche "russische Macbeth". Wenig
überzeugend war auch Dukas' "Ariane et Barbe-Bleu", noch dazu durch eine
total verpatzte Inszenierung behindert. Ebenso wie die szenisch völlig
unnötigen und werkentfremdeten Neuinszenierungen von "Iphigénie en Tauride",
"Tristan und Isolde", "Parsifal", "Katia Kabanova", "Lady Macbeth von
Mzensk" und "Wozzeck" u. v. a., von denen es gute ältere Produktionen
gab. Das bewies sich wieder einmal bei der lange erwarteten, hier besprochenen
letzten Produktion, Szymanowskis "Król Roger", die bei der Premiere mit
einem riesigen Buh-Konzert endete (in der Euro-Radio-Übertragung deutlich
hörbar).
Die
ausartende Tendenz sogenannte "Koproduktionen" (fünf in der letzten Saison)
zu zeigen, die in Wirklichkeit nur punktuelle Gast-Ausleihen für eine
Serie sind und nie mehr wieder zu sehen sein werden (wie die besprochene
einwöchige Serie von Jomellis "Demofoonte"), zeigt das völlige Fehlen
einer geplanten Repertoire-Politik. Das ist für ein Provinztheater mit
beschränkten Mitteln eine gute Methode, Produktionen interessanter Werke
zu zeigen, für das erste Haus des Landes natürlich sehr bedauerlich.
Man
kann nur hoffen, daß die neue Direktion von Nicolas Joël hier etwas aufräumt,
was mit den Premieren von "Mireille" von Gounod, "Andrea Chenier", "Donna
del Lago", "Die tote Stadt" und der 1. Hälfte des "Rings" in der ersten
Saison gegeben zu sein scheint. Hoffen wir nur, daß es so weiter gehen
wird! wig.
|