Französische
Erstaufführung
Nicolò
Jomelli (1714-1774) ist mit Pergolesi, A. Scarlatti, Paisiello und Leo
einer der berühmten Vertreter der Neapolitanischen Opern, die in der Mitte
des 18. Jahrhunderts das Musikleben Italiens - und ganz Europas - entscheidend
beeinflußt hatten. Nach Erfolgen in Neapel, Venedig, Rom und Wien, wurde
Jomelli 1753 von Herzog Karl Eugen von Württemberg nach Stuttgart berufen,
wo er siebzehn Jahre wirkte. Nebenbei hatte Jomelli auch die "Fernarbeit"
erfunden, denn er war mehrere Jahre lang auch Hofkomponist in Lissabon,
wo er jedoch nie war, sondern jährlich je zwei Opern nach Portugal sandte.
Er schrieb über sechzig Opern und noch mehr andere Bühnenwerke. Interessierte
Leser können über das einigermaßen abenteuerliche Leben Jomellis im Internet
nachlesen.
Ohne
Zweifel war Pietro Metastasio der berühmteste Bühnenschriftsteller und
Librettist seiner Zeit, innigst verbunden mit der Neapolitanischen Oper.
Er kodifizierte für das ganze Jahrhundert die Form der opera seria und
war der absolute Meister des Deus ex machina. Sein Drama "Artaserse" war
ein Riesenerfolg, worauf er von Kaiser Karl VI. als Hofdichter nach Wien
geholt wurde. "Artaserse" wurde nicht weniger als 108 Mal vertont Vergleichsweise
dazu wurden auf seinen "Demofoonte" nur 53 Opern komponiert, erstmals
von Antonio Caldara 1733 für Wien zum Namenstag von Karl VI., weiters
von Galuppi, Gluck, Hasse, Leo, Myslivi?ek (2 Mal), Paisiello, Piccini,
Vivaldi u.v.a. Jomelli vertonte denselben Text nicht weniger als vier
Mal! Die in Salzburg, Paris und Ravenna gezeigte Version war die 4. (Neapel)
von 1770, die im Sommer noch im Festival di Ravenna gezeigt werden wird.
In "Demofoonte" hat Metastasio sich hier ausgetobt und seine Kunst völlig
unerwarteter "Zufälle" auf die Spitze getrieben.
Riccardo
MUTI hat vor etwa zehn Jahren das ORCHESTRA GIOVANILE LUIGI CHERUBINI
gegründet. Sein Ziel ist, ein Italien würdiges Jugendorchester zu bilden,
das als Reservoir für die Ausbildung von Orchestermusikern dienen soll.
Seit seinem Abgang von der Scala hatte Muti sich vorgenommen, die praktisch
vergessene neapolitanische Oper dem Publikum wieder nahe zu bringen. Bereits
bei den Salzburger Pfingstwochen gezeigt hatte der neapolitanische Star-Dirigent
natürlich die musikalische Leitung der Produktion dieses unbekannten Werks
inne. Völlig vertraut mit dem Stil des 18. Jahrhunderts leitete er souverän
mit seinem Jugendorchester die sehr lange Oper (fast vier Stunden mit
zwei, diesmal kurzen Pausen). Die Inszenierung von Cesare LIEVI war von
dem klassizistischen Dekor der Grand Dame der Bühnenbildner, Margherita
PALLI, unterstützt. Marina LUXARDO steuerte raffinierte und stilvolle
Kostüme bei und Luigi SACCOMANDI sorgte für die passende Beleuchtung.
Die
sieben jungen Sänger waren im Großen und Ganzen den mörderischen Rollen
gewachsen, wenngleich sie natürlich (noch) nicht an die Stars des Belcanto
herankamen. Hervorragend zog sich Maria Grazia SCHIAVO als Dircea aus
der Affäre, eine sehr schwierige und anspruchsvolle Partie. Die junge
Neapolitanerin verfügt über eine volle, ausgezeichnet geführte Stimme,
und ihr Sopran ist nicht nur den dramatischen Koloraturen gewachsen, sondern
zeigt auch wunderbare Nuancen in den lyrischen Stellen. Ihr Vater Demofoonte,
König von Thrazien - aber das erfährt der Zuschauer erst in den letzten
zehn Minuten - ist ein besonders sturer Knopf in der langen Reihe hypokriter
Könige. Dimitri KORCHAK war der Thrazierkönig und besitzt Brillanz und
Durchschlagskraft, wie sie Rockwell Blake vor dreißig Jahren besaß.
Sehr
schön und gepflegt sang José Maria LO MONACO den Timante, den vermeintlichen
Königssohn. Diese tragische Rolle ist äußerst schwierig, und die junge
Mezzosopranistin zeigte nicht nur wunderbare Gesangskultur, sondern auch
ein besonders intensives Spiel. Dank Metastasio erfährt Timante immerhin,
daß er seinen Sohn mit seiner Schwester Dircea gezeugt hat. Was sich aber
wenige Minuten später als falsch erweist, denn er ist der Sohn des Matusio,
der zu Beginn der Oper der Vater der Dircea war! Der Contratenor Antonio
GIOVANNINI, etwas ungewohnt als Vater Matusio, sang aber prächtigst den
sich gegen die Willkür des Herrschers auflehnenden Untertans. Eine sehr
schöne Leistung!
Hervorragend
war auch die Timante zugedachte Braut, die phrygische, bildschöne Prinzessin
Creusa, der Eleonora BURATTO die passende Hochmütigkeit mit ausgezeichnet
geführtem Sopran vermittelte und dann ebenso das Mitgefühl und Verständnis
spielte. Ihr Anbeter, der wirkliche Sohn Demofoontes, Cherinto, der die
stolze Phrygierin schließlich kriegt, war die zweite Mezzosopranistin
in dieser Oper. Den naiven, selbst-quälerischen, leicht sado-masochistischen
Aspekt der Rolle vermittelte Valentina COLADONATO, sowohl stimmlich, als
auch darstellerisch mehr als zufriedenstellend. Der junge Sopranist Valer
BAMA-SABADUS stellte den Adrasto dar, den Chef der königlichen Wachen,
eine Kastratenrollen, der für seine Mahnarie an Timante verdienten Applaus
erhielt.
Alles
in allem ein sehr interessantes Erlebnis einmal eine Neapolitanische Oper
zu sehen. Allerdings darf man nicht vergessen, daß elf Jahre nach der
4. Fassung des "Demofoonte" ein Fünfundzwanzigjähriger nicht weit von
Stuttgart eine opera seria im Stile des Metastasio zur Uraufführung brachte:
Mozarts "Idomeneo" in München. Und das ist schon ganz etwas anderes, eben
Genie...
Maestro
Muti, der noch nie an der Pariser Oper dirigiert hatte, erhielt natürlich
großen Applaus, ebenso wie seine junge Sängerschar, besonders Maria Grazia
Schiavo und José Maria Lo Monaco. wig.
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