Bisweilen
höre ich mir eine Oper des "großen Repertoires", wie die zehn Kassenschlager
etwas abfällig genannt werden, nach vielen Jahren wieder an und bin immer
wieder von der Qualität der Musik und der dramatischen Handlung überrascht.
Das stimmt natürlich besonders für Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen".
Obwohl gerade mit der Dramatik - besonders im Giuliettta-Akt - ja einiges
schief liegt. Die etwas chaotische Geschichte der Entstehung des "Hoffmann"
ist daran Schuld und natürlich der verfrühten Tod Offenbachs. Allerdings
machen ausgezeichnete Künstler und ein erstklassiger Dirigent diese Schwächen
wett. Und das war in dieser Aufführungsserie der Fall.
Die
Inszenierung von Robert CARSEN aus dem Jahre 2000 mit den Bühnenbildern
und Kostümen von Michael LEVINE stellt eine "Bühne auf der Bühne" dar,
die sich in der ganzen Inszenierung wider spiegelt. Diese Idee beruht
auf einer Novelle von E. T. A. Hoffmann: er übernachtete einmal in einem
Hotel, wo eine Tapetentür direkt in eine Loge eines Theaters führte. Bereits
im Vorspiel fährt die Szenerie von "Don Giovanni" quer über die Bühne,
die dann verkehrt als Rahmen für den Olympia-Akt dient. Die riesige Bühne
der Bastille-Oper wird dann von einer etwa 30 m langen Bar in Luthers
Keller abgeriegelt. Der Antonia-Akt zeigt die Bühne eines Opernhauses
und eine Orchestergraben, wo Dr. Miracle als Dirigent fungiert, der Antonia
zum Singen anheizt. Der Giulietta-Akt spielt vor dem Zuschauerraum der
Opéra Garnier, wo die Sitzreihen zur Barcarole im Takt hin und her schunkeln,
während die Handlung sich davor auf einen 1 1/2 m breiten Streifen Bühne
abspielt.
Der
Höhepunkt des Abends war natürlich der Auftritt von Rolando VILLAZON als
Hoffmann, denn der mexikanische Tenor ist heute wohl der unbestrittene
Fixstern am Tenorhimmel. Man hat das Gefühl, daß sich Villazon mit der
Rolle spielt. Sämtliche Schwierigkeiten sind eine Kleinigkeit, er spielt
blendend und singt einfach himmlisch, mit seiner schmelzenden, geschmeidigen
Stimme, alles mit entwaffnender Einfachheit. Trotz seiner dominierenden
Bühnenpräsenz, spielt er nicht den Star, sondern er fügt sich perfekt
in das Ensemble ein und nimmt sichtlich auf alle Sänger Rücksicht. Daß
sein Französisch ausgezeichnet ist, mit perfekter Diktion, so daß man
jedes Wort versteht, ist natürlich ein Plus-Punkt mehr.
Für
die sehr temperamentvolle Patricia PETIBON ist die Rolle des Automaten
Olympia ein Frust. Sie macht dies durch nicht immer geschmackvolle Mätzchen
wett. So wird der arme Hoffmann am Ende ihres Auftritts von ihr fast vergewaltigt.
Annette DASCH als Antonia singt einfach vollendet mit herrlich geführter
Stimme "C'est une chanson d'amour" und vermittelt mit innigem Spiel die
Enttäuschung der verhinderten Sängerin. Als Giulietta verlieh Nancy Fabiola
HERRERA mit ihrem warmen, ausnehmend dunklen Timbre der Barcarole besondere
Sinnlichkeit.
In
den diabolischen Rollen bot Frank FERRARI, der auf Bösewichte abonniert
zu sein scheint, mit seinem prachtvollen, dunklen Baßbariton eine ideale
Verkörperung. Er verdiente, daß die große Arie "Brille diamant" sehr applaudiert
wurde. Christoph HAMBURGER spielte die vier Tenor-Buffo-Rollen blendend.
Für seine Arie als Frantz erntete er großen Applaus. Ekaterina GUBANOVA
war eine passende Muse und sang auch sehr passend Hoffmanns Freund Niklausse
mit angenehmer Mezzo-Stimme. Leider versteht man nur wenig, denn ihre
französische Aussprache läßt zu wünschen übrig. Für eine Hosenrolle ist
sie allerdings etwas zu rundlich.
Alain
VERNHES lieh den wichtigen Rollen des Luther und Antonias Vater Crespel
seine starke Bühnenpräsenz. Die kleineren Rollen waren passend besetzt.
Marie Paule DOTTI als Antonias Mutter, Jason BRIDGE als Nathanaël, Christian
JEAN als nervöser Spalanzani, Sergei STILMACHENKO (Hermann) und Yuri KISSIN
(Schlehmihl).
Marc
PIOLLET, der neue GMD in Wiesbaden, waltete mit großer Umsicht seines
Amtes am Dirigentenpult und arbeitete die Details, besonders die Holzbläser,
liebevoll heraus. Das ORCHESTRE DE L'OPÉRA DE PARIS war selten so klar
und durchsichtig zu hören. Der CHOR DER PARISER OPER war wie gewohnt von
Peter BURIAN bestens vorbereitet worden und spielte aktiv auf der Bühne
mit.
Eine
wunderbare Vorstellung, das Haus tobte! wig.
|