Mit
"Götterdämmerung" wußten WILSON und seine Mitarbeiter wirklich nicht viel
anzufangen. Wie gewohnt streckten alle Sänger die Hände mit gespreizten
Fingern aus. Die Nornen erschienen in stahlblauen Abendkleidern mit den
riesigen Schleppen aneinander gebunden (was das Seil andeutete). Vom Waldvogel
haben sie das Reisig übernommen. Siegfried nimmt von Brünnhilde Abschied,
vergißt aber das Feuer wieder anzuzünden, wodurch natürlich jeder auf
den Felsen klettern kann. Für Siegfrieds Rheinfahrt wird die Beleuchtung
des Hintergrunds ständig zwischen gelb und blau gewechselt. Vor drei symbolischen
Säulen warten Gunther, Hagen und Gutrune, daß Siegfried aus der Versenkung
aufsteigt. Von Hagens Begrüßungstrunk nippt Siegfried nur, und Gutrune
verschwindet sogleich nach hinten, ohne daß er Zeit hätte, sie auch nur
anzuschauen, was seine folgenden Liebeserklärungen reichlich absurd erscheinen
läßt.
Die
von Hagen gerufenen Mannen erscheinen als Schatten vor feuerrotem Hintergrund.
Sie tragen alle spitze Helme, und der langsame Zug erinnert an eine Prozession
von Kardinälen zum Konklave. Hagens Lanze ist symbolisch immer sehr passend
blutrot beleuchtet. Der Blutbrüderschaftsschwur ist gelungen, wo Gunther
und Siegfried in zwei Meter Abstand sich mit den Fingerspitzen berühren.
Hagen trennt sie mit einem Schwertstreich Notungs. Die Rheintöchter und
die Nornen trugen die gewohnten Nefretiti Frisuren und waren in blau-grauen
Pastellfarben gekleidet. Sie bewegten sich in wogender, etwas altmodischer
Art.
Die
Schlußszene Brünnhildes ist der Schlager des Abends. Diskreter
Weise ließ man Brünnhilde ganz alleine auf der Bühne für ihren Befehl
"Starke Scheite schichtet mir dort". Der tote Siegfried ist auf einer
kleinen Liege links aufgebahrt, rechts wartet eine gleiche auf Brünnhilde.
In der Mitte hängt eine große Schale vom Schnürboden, etwa zwei Dutzend
kleine Pfeiler tragen ein kleines Kästchen in etwa vier Meter Höhe. Wenn
sie mit dem Zeigefinger auf die Schale zeigt, entzündet sich Feuer darin.
Sie zeigt dann ebenso auf die Kästchen, in denen sich in allen, einem
nach dem anderen, mit einem kleinen Knall je zwei kleine Flämmchen entzünden.
Diese Absurditäten füllten die sechs Stunden des Abends.
Orchestral
war "Götterdämmerung" die beste Aufführung des "Ring" Zyklus. Christoph
ESCHENBACH hat sich offenbar mit dieser Partitur besonders beschäftigt
und dem ORCHESTRE DE PARIS seine Vision vermittelt. Die Leitung Eschenbachs
war differenziert, sehr gut aufgebaut, obwohl die "kammermusikalische"
Seite hier natürlich zu kurz kam, außer in den Szenen der Nornen und der
Rheintöchter. Die Schwurszene war beängstigend dicht und sehr eindrucksvoll.
Der Trauermarsch war wuchtig und prächtig gesteigert. Allerdings schien
das Orchester am Ende etwas ermüdet. Selbst das sonst ausgezeichnete Blech
hatte bisweilen Intonationsschwierigkeiten. Der CHOR DES CHATELET unter
der Leitung von Stephen BETTERIDGE war seiner Aufgabe voll gewachsen.
Problematischer
war diesmal die Wahl der durchwegs guten, teilweise ausgezeichneten Solisten.
Einerseits waren einige Sänger entsprechend dem kammermusikalischen Credo
Eschenbachs engagiert worden, wie Nikolai Andrei SCHUKOFF (trotz seines
Namens aus Graz!) als Siegfried oder Dietrich HENSCHEL als Gunther. Beide
sind sehr gute, ja ausgezeichnete Sänger mit subtiler Stimmführung. Beide
hatten große Schwierigkeiten sich in den Ensembles mit dem Bombenbaß von
Kurt RYDL oder dem hochdramatischen Sopran von Linda WATSON zu behaupten.
Keinem dieser Künstler können Vorwürfe gemacht werden, doch das Volumen
der Stimmen ist einfach nicht vergleichbar.
Diese
Diskrepanz hat nichts mit "Brüllen" zu tun. Für Schukoff, mit schöner,
kultivierter, aber nicht sonderlich ausdrucksvoller Stimme, ist es vermutlich
etwas verfrüht, Siegfried zu singen, zumal er auch im 3. Akt Schwierigkeiten
in den Strophen hatte, in denen er den Waldvogel imitiert. Seine Partnerin
Linda Watson gab Brünnhilde eindrucksvolle Akzente und verband diesmal
prachtvollen Gesang mit intensiver Rollengestaltung. Kurt Rydl als Hagen,
mit seinem Bomben-Baß, war sowohl in der Schwurszene, als auch in der
mit Alberich sehr ausdrucksvoll. Sergei LEIFERKUS gab dem bösen Alben
wieder eine sehr profilierte Persönlichkeit.
Dietrich
Henschel, Kavaliersbariton und großer Liedersänger, war in die steifen
Stellungen der Regie gezwängt, was den Gunther noch unsympathischer und
farbloser machte als sonst. Das gilt auch für die stimmlich ausgezeichnete
Christine GOERKE als Gutrune, die hier noch verlassener erschien, als
sie von Wagner gezeichnet wurde. Wieder eine große Leistung bot Mihoko
FUJIMURA. Die vermittelte als Waltraute die drängende Angst der Wotans-Tochter
vor dem Untergang mit größter Intensität. Qiu Lin ZHANG war die 1. Norn
mit ihrer prachtvollen Altstimme. Daniela DENSCHLAG (2. Norn, Wellgunde),
Marisol MONTALVO (3. Norn, Woglinde) und Annette JAHNS (Flosshilde) vervollständigten
vorteilhaft die Besetzung. wig
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