"GÖTTERDAMMERUNG" - 28. Januar 2006 (Premiere)

Mit "Götterdämmerung" wußten WILSON und seine Mitarbeiter wirklich nicht viel anzufangen. Wie gewohnt streckten alle Sänger die Hände mit gespreizten Fingern aus. Die Nornen erschienen in stahlblauen Abendkleidern mit den riesigen Schleppen aneinander gebunden (was das Seil andeutete). Vom Waldvogel haben sie das Reisig übernommen. Siegfried nimmt von Brünnhilde Abschied, vergißt aber das Feuer wieder anzuzünden, wodurch natürlich jeder auf den Felsen klettern kann. Für Siegfrieds Rheinfahrt wird die Beleuchtung des Hintergrunds ständig zwischen gelb und blau gewechselt. Vor drei symbolischen Säulen warten Gunther, Hagen und Gutrune, daß Siegfried aus der Versenkung aufsteigt. Von Hagens Begrüßungstrunk nippt Siegfried nur, und Gutrune verschwindet sogleich nach hinten, ohne daß er Zeit hätte, sie auch nur anzuschauen, was seine folgenden Liebeserklärungen reichlich absurd erscheinen läßt.

Die von Hagen gerufenen Mannen erscheinen als Schatten vor feuerrotem Hintergrund. Sie tragen alle spitze Helme, und der langsame Zug erinnert an eine Prozession von Kardinälen zum Konklave. Hagens Lanze ist symbolisch immer sehr passend blutrot beleuchtet. Der Blutbrüderschaftsschwur ist gelungen, wo Gunther und Siegfried in zwei Meter Abstand sich mit den Fingerspitzen berühren. Hagen trennt sie mit einem Schwertstreich Notungs. Die Rheintöchter und die Nornen trugen die gewohnten Nefretiti Frisuren und waren in blau-grauen Pastellfarben gekleidet. Sie bewegten sich in wogender, etwas altmodischer Art.

Die Schlußszene Brünnhildes ist der Schlager des Abends. Diskreter Weise ließ man Brünnhilde ganz alleine auf der Bühne für ihren Befehl "Starke Scheite schichtet mir dort". Der tote Siegfried ist auf einer kleinen Liege links aufgebahrt, rechts wartet eine gleiche auf Brünnhilde. In der Mitte hängt eine große Schale vom Schnürboden, etwa zwei Dutzend kleine Pfeiler tragen ein kleines Kästchen in etwa vier Meter Höhe. Wenn sie mit dem Zeigefinger auf die Schale zeigt, entzündet sich Feuer darin. Sie zeigt dann ebenso auf die Kästchen, in denen sich in allen, einem nach dem anderen, mit einem kleinen Knall je zwei kleine Flämmchen entzünden. Diese Absurditäten füllten die sechs Stunden des Abends.

Orchestral war "Götterdämmerung" die beste Aufführung des "Ring" Zyklus. Christoph ESCHENBACH hat sich offenbar mit dieser Partitur besonders beschäftigt und dem ORCHESTRE DE PARIS seine Vision vermittelt. Die Leitung Eschenbachs war differenziert, sehr gut aufgebaut, obwohl die "kammermusikalische" Seite hier natürlich zu kurz kam, außer in den Szenen der Nornen und der Rheintöchter. Die Schwurszene war beängstigend dicht und sehr eindrucksvoll. Der Trauermarsch war wuchtig und prächtig gesteigert. Allerdings schien das Orchester am Ende etwas ermüdet. Selbst das sonst ausgezeichnete Blech hatte bisweilen Intonationsschwierigkeiten. Der CHOR DES CHATELET unter der Leitung von Stephen BETTERIDGE war seiner Aufgabe voll gewachsen.

Problematischer war diesmal die Wahl der durchwegs guten, teilweise ausgezeichneten Solisten. Einerseits waren einige Sänger entsprechend dem kammermusikalischen Credo Eschenbachs engagiert worden, wie Nikolai Andrei SCHUKOFF (trotz seines Namens aus Graz!) als Siegfried oder Dietrich HENSCHEL als Gunther. Beide sind sehr gute, ja ausgezeichnete Sänger mit subtiler Stimmführung. Beide hatten große Schwierigkeiten sich in den Ensembles mit dem Bombenbaß von Kurt RYDL oder dem hochdramatischen Sopran von Linda WATSON zu behaupten. Keinem dieser Künstler können Vorwürfe gemacht werden, doch das Volumen der Stimmen ist einfach nicht vergleichbar.

Diese Diskrepanz hat nichts mit "Brüllen" zu tun. Für Schukoff, mit schöner, kultivierter, aber nicht sonderlich ausdrucksvoller Stimme, ist es vermutlich etwas verfrüht, Siegfried zu singen, zumal er auch im 3. Akt Schwierigkeiten in den Strophen hatte, in denen er den Waldvogel imitiert. Seine Partnerin Linda Watson gab Brünnhilde eindrucksvolle Akzente und verband diesmal prachtvollen Gesang mit intensiver Rollengestaltung. Kurt Rydl als Hagen, mit seinem Bomben-Baß, war sowohl in der Schwurszene, als auch in der mit Alberich sehr ausdrucksvoll. Sergei LEIFERKUS gab dem bösen Alben wieder eine sehr profilierte Persönlichkeit.

Dietrich Henschel, Kavaliersbariton und großer Liedersänger, war in die steifen Stellungen der Regie gezwängt, was den Gunther noch unsympathischer und farbloser machte als sonst. Das gilt auch für die stimmlich ausgezeichnete Christine GOERKE als Gutrune, die hier noch verlassener erschien, als sie von Wagner gezeichnet wurde. Wieder eine große Leistung bot Mihoko FUJIMURA. Die vermittelte als Waltraute die drängende Angst der Wotans-Tochter vor dem Untergang mit größter Intensität. Qiu Lin ZHANG war die 1. Norn mit ihrer prachtvollen Altstimme. Daniela DENSCHLAG (2. Norn, Wellgunde), Marisol MONTALVO (3. Norn, Woglinde) und Annette JAHNS (Flosshilde) vervollständigten vorteilhaft die Besetzung. wig