Dieses
gemeinsame Auftragswerk der Berliner Staatsoper Unter den Linden und der
Oper in Lyon, hat bereits zwei Uraufführungen erlebt: am 21. Januar 2006
in Berlin und am 9. März 2006 in Lyon. Dies war die Pariser Erstaufführung.
Pascal
Dusapin, geboren 1955 war Schüler von Yannis Xenakis und spricht mehrere
Sprachen. Deshalb war seine vorletzte Oper "Perelà, l'uomo di fumo" vor
drei Jahren in der Bastille, nach einem Text des florentinischen Futuristen
Palazzeschi, in italienischer Sprache. Diesmal hat er den englischen Text
von Christopher Marlowe von 1588 adaptiert und nicht den Goethe'schen
"Faust". Zahlreiche andere literarische Anspielungen werden auch noch
verwendet. "Perelà" hatte mich sehr beeindruckt, sowohl musikalisch, als
auch dramatisch (ich sah die Vorstellung zwei Mal). Dafür bin ich von
"Faustus" weniger begeistert.
In
"Perelà" hatte Dusapin eine Rückkehr zu einer singbareren, melodischeren
Form der Oper angebahnt, wie es sich auch in anderen Uraufführungen anderer
Komponisten der letzten Jahre zeigte. Diesmal garniert der Komponist schwerwiegende
philosophische Diskurse mit Klangballungen, großen Orchester-Clusters,
sehr viel deklamatorischer Sprechgesang und kehrt zur Neutönerei der siebziger
Jahre zurück. Selbst die Koloraturrolle des Engels ist fast unsingbar.
Da die Handlung sehr statisch ist und praktisch nichts passiert, tritt
bald eine gewisse Leere, sprich Langeweile ein. Einige Aufschreie und
Rufe geben Anstoß für "Aktion", die sich in einer Nacht abspielen soll.
Die Wiederholungen dieser Rufe, Schreie und Alliterationen sind auch nicht
angetan, eine wirkliche Handlung aufkommen zu lassen. Eine Aufführung
als Oratorium wäre vermutlich vernünftiger gewesen. Metaphysik ist kaum
für Opern-Dramatik geeignet. Boito hat Goethes "Faust" I & II als "Mefistofele"
auf die Bühne gebracht, und es ist sicher keine ewiges Meisterwerk. Nächstes
Mal wird es wohl Platons "Symposion" auf altgriechisch sein?
Die
Inszenierung von Peter MUSSBACH spielt meist auf den Zeigern einer riesigen
(ca. zehn Meter Durchmesser) schrägen Uhr mit einem modernen Ziffernblatt
(Dekor: Michael ELMGREEN und Ingar DRAGSET, Beleuchtung: Sven HOGREFE).
Faustus (Georg NIGL) und Mephistopheles (Urban MALMBERG) setzen sich abwechselnd
auf den Stunden- oder Minutenzeiger und diskutieren über den Sinn des
Lebens, den Anfang der Welt und viele andere hoch philosophische Dinge,
oder sie montieren die Ziffernblöcke ab und werfen sie hinaus. Die schwarzen
Kostüme des Mephistopheles und Fausts von Andrea SCHMIDT-FUTTERER sind
nicht angetan, den Zuschauer zu stimulieren. Die vorgegebene Titelangabe
"The last night" ist auch nicht befolgt, denn bisweilen drehen sich die
Zeiger rasch, meistens überhaupt nicht, und mehrmals geht die Uhr - weshalb?
- zurück!
Unklar
ist, weshalb Mephistopheles und Togod (Jaco HUIJPEN) plötzlich als weiße
Hasen verkleidet erscheinen. Ebenso unverständlich ist auch weshalb Sly
(Robert WÖRLE) im Camouflage battledress auftritt. Auch nicht deutlich
ist, warum der Engel (Caroline STEIN) ständig auf dem schrägen Ziffernblatt
herum rutscht. Alle Sänger bemühten sich mit Hingabe, ja Aufopferung,
das Werk über die Bühne zu bringen, nicht immer mit Erfolg.
Jonathan
STOCKHAMMER dirigierte das ORCHESTRE DE L'OPÉRA NATIONAL DE LYON mit großsem
Einsatz. Die angekündigte "Live electronics" von Thierry CODUYS (La kitchen)
ist nicht aufgefallen, muß ich verschlafen haben.
Das
Publikum war großteils befremdet, nur einige Fans klatschten frenetisch.
wig.
|