Die
Wiederaufnahme von Mozarts letzter opera seria brachte zwei der größten
Sängerinnen unserer Zeit in einem gesanglichen und dramatischen Feuerwerk
zusammen auf die Bühne. Es wurde eine Sternstunde des Gesangs. Die Sensation
des Abends waren der erschütternde Sesto von Elina GARANCA und die dramatische
Vitellia von Anna Caterina ANTONACCI. Für Antonacci ist Vitellia ein weiterer
Schritt zur dominierenden Tragödin. Ihre prachtvolle dramatische Stimme
ist in allen Lagen ausgeglichen. Vor allem im 1. Akt war sie absolut umwerfend
und dominierend. Im 2. Akt hatte man jedoch das Gefühl, daß die nicht
sehr glaubwürdige "Reue" der Vitellia ihr nicht zusagt. Das sublime, vom
Bassetthorn begleitete, Rondo des 2. Akts "Non piu di fiori" ist auch
wenig glaubhaft für eine dramatische Sängerin. Der Bruch scheint sich
bei Antonacci am Ende des 1. Akts mit "O giorno di dolor" abzuspielen.
Elina Garanca überzeugte durch eine stimmliche Meisterleistung und die
Subtilität der Phrasierung. Ihre Darstellung des zaudernden Königsmörders
ist umwerfend, erschütternd. Superlative reichen nicht aus. Als gertenschlanker
Jüngling ist ihre Darstellung völlig glaubhaft. Diese tragische, psychologisch
komplexe Rolle ist ihr auf den Leib geschrieben.
Die
restliche Besetzung war dieselbe wie von anderthalb Jahren. Die beiden
Frauen rissen die anderen Sänger mit. Besonders Christian PREGARDIEN,
der unsichere, zaudernde Kaiser Titus, zu Beginn hörbar belegt, fand einen
viel ausgeprägteren Ausdruck. In "Se all'impero, amici Die" sang er mit
Schwung und Feuer für diese große Arie, die mit "D'una fede non mi cura,
che sia frutto dei timor" schließt, was die Aufklärungs-Philosophie des
ganzen Werkes zusammenfaßt. Hannah Esther MINUTLLLO als Annio überbot
sich vor allem in den Szenen mit ihrem Freund Sesto. Leider hat sie eine
idiotische rote Perücke auf. Ekaterina SYURINA als Servilia war wieder
entzückend mädchenhaft und zeigte sich sehr überrascht, plötzlich von
Titus zur Gattin gewählt zu werden. Roland BRACHT war ein treuer, Respekt
erheischender Publius und sang seine Arie bestens.
Diesmal
stand Gustav KUHN am Pult. Bereits die Ouvertüre war sehr bewegt, ausgefeilt
und präzise. Das ORCHESTER genoß sichtlich das sehr flüssige Dirigat und
spielte mit Begeisterung und Liebe. Kuhn scheint auch die endlos langen
Rezitative (von Süßmeyer, weil Mozart keine Zeit hatte, da er die Oper
in drei Wochen schrieb) auf vernünftige Längen gekürzt zu haben, denn
die Vorstellung dauerte (mit Pause) nur drei Stunden. Was doch ein anderer
Dirigent bei einer Wiederaufnahme ausmacht!
In
der schäbigen, nun 27 Jahre alten Inszenierung aus Brüssel des Ehepaars
HERMANN wurde scheinbar die Beleuchtung leicht verändert. Der übliche
Eingang zu einem Hallenbad mit meergrüner Plexiglas-Täfelung reflektiert
nun nicht nur mehr das Gold des Palais Garnier, sondern alle Versatzstücke,
Thron, Stühle etc. Zu allem Überfluß sind auch die Reflexionen der Soffitten
(mehrere, farbige Leuchtröhren) auf beiden Seiten zu sehen. Bravo und
Schwamm drüber!
Bis
auf die kalamitöse Inszenierung war es ein herrlicher Abend und eine musikalische
Sternstunde. wig.
|