Der
russische Dichter Meyerhold hatte in seiner Zeitschrift die Komödie "L'amore
delle tre meleranze" von Carlo Gozzi (geschrieben während seines Streits
mit Goldoni) veröffentlicht. Prokofieff begeisterte sich für den Text,
und er wollte das Libretto mit Meyerhold schreiben. Doch Prokofieffs Emigration
1918 verhinderte dies und veranlaßte ihn, in Paris den Text Französisch
zu schreiben. Diese französische Version von Prokofieffs Oper wurde schließlich
1921 von der Chicago Lyric Oper uraufgeführt. Die Oper wird oft und leicht
als Kinderoper oder als Spielerei des Komponisten abgefertigt. Doch die
Partitur des bereits mit 30 Jahren weltberühmten Pianisten und Komponisten
Prokofieff ist voll von musikalischen Einfällen und ein Feuerwerk der
Orchestrierung (nicht nur der berühmte Marsch, auch die Verwendung der
Baßtuben in den tiefsten Registern für den genialen Auftritt der Köchin.)
"Die
Liebe zu den drei Orangen" wurde mehrmals beim Festival in Aix gespielt,
aber ist selten in Paris zu sehen. Die ausgezeichnete Regie, inspiriert
von der Commedia dell'arte, von Gilbert DEFLO mit den einfachen, aber
einfallsreichen Bühnenbildern und Kostümen von William ORLAND strich den
spielerischen Charakter hervor. In einem riesigen Zirkusrund und nur mit
einigen praktikablen Rampen und Hockern, spielt sich das Geschehen ab.
Die drei meterhohen Orangen kullern auf das leere Zirkusrund. Die maskierten
Chören der Tragischen, Komischen und Lyrischen, feuerspeiende Gaukler
und Tänzer sind auf den Seiten und im Hintergrund postiert - wie in einer
griechischen Tragödie. Immer an der Grenze zwischen Commedia dell'arte,
Zirkus und Oper, niemals vulgär, ging alles wie am Schnürchen über die
Bühne. Dazu noch die ausgezeichnete Choreographie von Marta FERRI, alles
bestens ausgeleuchtet von Joël HOURBEIGT.
Die
Pariser Oper ließ sich die Aufführung etwas kosten und bot eine hervorragende
Besetzung auf. José VAN DAM lieh seinen prächtigen Bariton der nicht sehr
große Rolle des Tchellio. Er sang und spielte den abgerüsteten Zauberer
mit großer Souveränität. Seine Gegenspielerin, die Zauberin Fata Morgana,
war mit der ausgezeichneten Béatrice URIA-MONZON allerbestens besetzt.
Ihre spektakulär Auftritte - in großem rotem Feuermantel - waren dank
der prachtvollen Mezzo-Stimme der Sängerin ein Hochgenuß.
Lucia
CIRILLO als ihre böse Sklavin Smeraldine war sehr passend. Den Luftgeist
Farfarello, der in der Wüste Stürme auslöst, war mit Jean-Sébasten BOU
in besten Händen. Dem Prinzen gab Charles WORKMAN als Pierrot verkleidet,
mit prachtvoller Stimme und nachtwandlerischem Spiel das hypochondrische
Profil. Sein Begleiter, Truffaldino ist die größte Rolle der Oper und
war mit Barry BANKS besetzt, großer Spezialist russischer Musik, der hier
nicht nur seinen prachtvolle Charaktertenor, sondern auch ein phänomenales
Spiel zum
Besten gab. Er sprang herum mit der Leichtigkeit eines Gauklers.
Guillaume
ANTOINE gab mit der nötigen Hinterhältigkeit der Verräters den bösen Leander,
der den Tod des Prinzen mit "extra-tragischer Prosa und martelischen Reimen
in seiner Suppe" herbeiführen will. Seiner Mitverschwörerin Clarisse lieh
Hannah Esther MINUTILLO ihren wunderbaren, samtenen Mezzo (in einem atemberaubenden
giftgrünem Kleid, aber sie kann sich's leisten!).
Als
die zwei ersten Orangen-Prinzessinen kugelten Letitia SINGLETON und Natascha
CONSTANTIN aus ihren fruchtigen Gefängnissen und waren stimmlich tadellos.
Die dritte, schließlich erwählte Orangen-Prinzessin Ninette sang Aleksandra
ZAMOJSKA mit glockenreinem Sopran und spielte wunderschön zart.
Als
der alte Treff-König war Philippe ROUILLON sehr passend, begleitet von
Jean-Luc BALESTRA als Pantalone. Großen Erfolg hatte natürlich Victor
von HALEM als Köchin. Sein großer Baß war natürlich für die furchterregende
Rolle äußerst passend. Auf einem rollenden ca. 5 m hohen Kostüm-Gestell,
auf das Truffaldino hinaufklettern mußte überreichte dieser das verführerische
rote Band. David BIZIC (Herold) und Nicolas Marie (Zeremonienmeister)
waren rollendeckend.
Sylvain
CAMBRELING dirigierte mit Verve und Einsatz das riesige ORCHESTER und
die zahlreichen CHÖRE, von Peter BURIAN wieder einmal phantastisch einstudiert.
Es
geht! Man kann auch Regietheater machen, ohne die Musik zur Seite zu schieben
und den Sinn der Handlung zu verunstalten. Hier wurde ganz im Gegenteil
der künstlerisch Gesamteindruck unterstrichen. Ein verdienter Triumph
für alle Künstler! wig.
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