Nach
einigen Wochen recht schwerer Kost war es erholsam, etwas Frivolität zu
genießen, besonders wenn diese in so kongenialem Rahmen geboten wurde.
Allerdings war diese Wiederaufnahme der Produktion von vor einem Jahr
nur eine Transposition mehr – wieder aus Garnier nach Bastille – aber
das vierblättrige Kleeblatt Laurent PELLY (Regie und Kostüme) - Chantal
THOMAS (Bild) - Joël ADAM (Licht) - Agathe MÉLINAND (Dramaturgie) hat
die Übersiedlung mühelos gemeistert. Seit der umwerfenden „Platée“ von
Rameau vor ein paar Jahren bis zu Offenbachs „Belle Hélène“ und „Grand-Duchesse
de Gerolstein“, die mit großem Erfolg im Châtelet liefen oder laufen,
hat dieses Team sich einen Namen in „Entrümpelung“ gemacht, ohne dabei
in Exzesse zu verfallen.
Die
Handlung in die angeberische Luxusvilla des „reichsten Mannes von Wien“
an ein „ruhiges Eck“ an einen See im Salzkammergut oder in Kärnten zu
verlegen, wo die Oper in der Baustelle des neuen Gästehauses spielt, ist
eine gute Idee. Wie der „neue Trakt“ einmal aussehen wird, sieht man im
Vorspiel: ein protziges Haus mit freistehender Wendeltreppe und Panoramafenstern
am verschneiten See. Die Commedia dell’Arte Truppe kommt im BMW vom Flughafen.
Die Oper ist „Sun, sea and sex in Naxos“ und die ganze Belegschaft kommt
im VW Minibus an den Strand. Da aber das Strandhotel von Mme. Ariadne
noch nicht fertig ist, haust diese im Zwischenstock auf einem Klotz, oberhalb
der Betonmischmaschine. Die Comedia dell‘Arte-Truppe ist in bunte Karibik-Hemden
und blau-gestreifte Bermuda-Hosen gekleidet, Zerbinetta im orangen Bikini
und Parero. Doch Pelly und sein Team haben nicht nur das Libretto gelesen,
sondern auch den Klavierauszug: die Inszenierung ist haarscharf an die
Partitur angepaßt. Jede Geste hat ihren Sinn, jede Bewegung ist choreographiert.
Ziemlich
enttäuschend war das Debüt von Peter JORDAN am Pult. Obwohl er versuchte
das ORCHESTER DER OPÉRA im Strauss‘schen Orchesterklang schwelgen zu lassen,
gelang ihm das aber nicht immer. Das Vorspiel war ziemlich zähe – vor
allem in den Streichern. In der Oper löste sich diese Schwere etwas, erreichte
aber nie die spritzige Frische dieser außergewöhnlichen Partitur.
Die
Besetzung war teilweise die selbe wie vor einem Jahr, im Vorspiel vom
Komponisten von Sophie KOCH dominiert. Sie ist stimmlich umwerfend, darstellerisch
eine Figur Eichendorffs oder Novalis‘, ein romantischer Träumer in der
Welt des Profits. Neu war der Haushofmeister des Schotten Graham F. VALENTINE,
der im Frack langsam und versnobt über die Bühne schlürfte. Er gab in
perfektem Bühnendeutsch dem aufgeregten Musikmeister von Olaf BÄR und
dem Tanzmeister von Xavier MAS, einem abgebrühten Impressario, beide im
Smoking, zu verstehen, daß ihre Stellung gleich und untergeordnet ist.
Statt
Nathalie Dessay, die krankheitshalber abgesagt hatte, wurde die blutjunge
Russin Lubov PETROVA als Zerbinetta für ihr Debüt an der Pariser Oper
geholt (nicht ganz verständlich, da ein ausgezeichnete Zerbinetta in der
Truppe ist, siehe unten). Ihre Stimme ist zwar etwas gerade, und das Timbre
ist nicht sonderlich interessant, aber sie sang die Koloraturen wie gestochen
und ihre Höhen waren kristallklar. Da sie auch gertenschlank ist, kann
sie sich leisten, im Bikini über die Bühne zu fliegen und ihr Stretching
in publico zu machen. Ihre vier Kumpane paßten sich wie im Vorjahr bestens
an, vor allem der Harlekin des jungen Stéphane DEGOUT, der nicht nur einen
schönen Bariton besitzt, sondern auch blendend spielt. Er wurde sehr vorteilhaft
von Daniel NORMAN/Scaramuccio, Alexander VINOGRADOV/Truffaldino und Ales
BRISCEIN/Brighella sekundiert. Alle amüsierten sich sichtlich blendend.
Neu
war auch Solveig KRINGELBORN (sehr amüsant als spleenige Primadonna).
Sie war eine attraktive Ariadne und setzte ihre strahlende Stimme bestens
ein. Ihre Darstellung war verhalten, nicht dramatisch. Sie wurde daher
besonders den lyrischen Stellen der Rolle gerecht („In den schönen Feierkleidern“
und „Es gibt ein Reich ...“). Der hühnenhafte Jon Villars – auch schon
im Vorjahr als barfüßigen, goldenen Bacchus gehört - wurde in den letzten
vier Vorstellungen von Janez LOTRIC ersetzt. Er sang zwar hinreißend und
meisterte mit Leichtigkeit alle Höhen der mörderischen Rolle, aber seine
Darstellung war weniger göttlich.
Die
als Bäuerinnen gekleideten Dienerinnen bringen Ariadne das Essen und waren
bestens besetzt: Ekaterina SIURINA/Najade, Svetlana LIFAR/Dryade und Sine
BUNDGAARD/Echo (die ich bereits woanders als hinreißende Zerbinetta gesehen
habe) sangen mit dezenter Musikalität die Trauerlieder und die Begrüßung
des Bacchus. Das Hauspersonal wurde von Walter ZEH/Perückenmacher und
Yuri KISSIN/Lakai (beide in Lederhosen!) sowie Mihajlo ARSENSKI / Offizier
(in österreichischer Uniform!) passend ergänzt.
Trotz
der allgemeinen Heiterkeit und Freude, war das Haus nicht voll. Schade!
wig.
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