Die
fünf Jahre alte “Parsifal”-Inszenierung von Graham VICK ist nach wie vor
interessant und sehenswert. Michel JANKELLOWITCH hat diese Wiederaufnahme
betreut. Die Auffassung ist eher “klassisch” und dem Bühnenweihe-Festspiel
näher als bei den meisten anderen Regisseuren. Vicks Regie konzentriert
sich besonders auf die effektive Verteilung der Choristen und Umzüge und
läßt den Sängern großen Spielraum, was zu einer sehr würdigen Aufführung
führt und die Wiederaufnahme erleichtert.
Das
weiße Einheits-Dekor von Paul BROWN profitiert von den ungewöhnlichen
technischen Möglichkeiten der Bastille-Oper. Zwei nicht konzentrische
Drehbühnen, die sich nach Bedarf in gleichem oder Gegensinn langsam drehen,
werden teilweise gekippt, gehoben oder versenkt. Diese geschickte Kombination
der Bühnenmaschinerie gibt eine Fülle von Möglichkeiten und bisweilen
mehrere Spielebenen gleichzeitig, z. B. einen riesigen runden überhöhten
Tisch für die Gral-Szene im 1. Akt, oder mehrere Niveaus für den Garten
des 2. Akts. Ein Baum und sechs Felsblöcke sind die einzigen Versatzstücke,
die mittels der Drehscheiben ins Zentrum oder an den Rand gebracht werden,
ein steinerner Zen-Garten. Einzig der Gral in einem schönen Glas-Schrein
und ein ähnlich gestalteter leerer Schrein für den Speer werden für die
Grals-Szenen hereingebracht und zum Schluß Titurels Sarg – sehr eindrucksvoll.
Die
Kostüme (auch von Paul BROWN) sind unauffällig passend, ohne Mätzchen,
mit Ausnahme der – bereits erneuerten - Kleider der Blumenmädchen. Nicht
klar ist jedoch, weshalb eine einen deutschen Reichsadler und zwei andere
das Kreuz der Tempelherren tragen. Vier Ritter-Engel in silberner Rüstung
mit riesigen blau-rot-orangenen Papageienflügeln sind zwar dekorativ,
aber für diese Stimmung etwas zu bunt.
Hausherr
James CONLON dirigierte “Parsifal” sehr breit und weihevoll, bisweilen
in “Kna”-Tempi. Er wurde der feierlichen Stimmung des Werkes voll gerecht
und das Pariser OPERN-ORCHESTER folgte ihm vorzüglich in dieser Sicht.
Sehr dramatisch; ja spannend, waren auch die Chorszenen. David LEVI hatte
den CHOR sehr gut einstudiert. Die ausgezeichnete Diktion der Chöre ist
besonders beachtenswert.
Die
erstklassige Besetzung war sehr ausgeglichen. Kristinn SIGMUNDSON stellte
einen stimmlich souveränen und dank seiner hühnenhaften Gestalt dominierenden
Gurnemanz auf die Bühne. Voll Weisheit und Güte hütete er die Ritterschar.
Neben ihm erschien der stämmige Clifton FORBIS (Hausdebüt) als Parsifal
klein: er besitzt die jugendliche Kraft für die Rolle, eine schöne metallische
Stimme, spielt nicht sonderlich vergeistigt, eher den Naturburschen, den
“reinen Tor”. Katarina DALAYMAN debütierte als Kundry. Ihre prächtige
Stimme hat eine große Palette im Ausdruck und verspricht eine ganz große
Karriere. Ihre Diktion bedarf jedoch noch einiger Verbesserung.
Albert
DOHMEN war ein sehr vergeistigter, intellektueller Amfortas, eher leidend
als verzweifelt, stimmlich überragend, eine ganz große Leistung. Einen
sensationellen Klingsor stellte wieder Willard WHITE auf die Bühne. Der
Jamaikaner stellt mit seinem riesigen Baß einen perfekten Bösewicht dar.
Noch ein zweiter Isländer war zu hören, Gudjon OSKARSON, der seinen profunden
Baß dem Titurel lieh.
Die
Gralsritter waren bei Mihajilo ARSENSKI und Yuri KISSIN, die Knappen bei
Valérie CONDOLUCI, Karine DESHAYES, Wolfgang ABLINGER-SPERRHACKE und Sergei
STILMACHENKO in guten Händen. Aline KUTAN, Valérie CONDOLUCI, Andrea CREIGHTON,
Sinde BUNDSGAARD, Karine DESHAYES, und Nona JAVAKHIDZE waren stimmfrohe
Blumenmädchen und, trotz der bizarren Kostüme, mehr als rollendeckend.
Ein schöner, sehr würdiger Abend! wig.
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