Es
war ein Wagnis für eine kleines Haus, sich an solches Monument der Opernliteratur
zu wagen und man konnte das Ärgste befürchten. Denn ohne sehr gute Sänger
sind “Trovatore”, “Rigoletto”, “Tosca” oder “Butterfly” nicht aufführbar.
Zu viele “Ohrwürmer”, die man x-Mal auf einer Platte oder im Radio von
Stars gesungen gehört hat. Man kann der Oper in Massy bestätigen, daß
das Wagnis gelungen ist. Massy hat sich mit drei anderen Opernhäusern
zusammen getan und eine Koproduktion mit Saint Etienne, Avignon und Lüttich
auf die Beine gestellt mit durchwegs guten, ja ausgezeichneten Sängern.
Von
allen Opern Verdis gilt das Libretto des “Trovatore” als das Urbeispiel
des konfusen und unwahrscheinlichen Geschehens, nur “La Forza del Destino”
ist vermutlich noch absurder. Der junge italienische Regisseur Francesco
MICHELI hat vier Elemente der Handlung als Leitlinie verwandt: der Baum,
der die Natur, das Leben und die Absurdität des Kriegs symbolisiert, der
Turm als Symbol der absoluten Macht, das Feuer des Kriegs und der Passion,
beide immer zerstörend, die Nacht, da die ganze krause Geschichte sich
praktisch nur nachts abspielt. Die Idee ist durchaus vernünftig und vertretbar.
Nur
haben der junge Regisseur und sein eben so junger Szenograf Edoardo SANCHI
vermutlich nicht genügend Erfahrung und Handwerk, um dieses Konzept zu
verwirklichen. Da es sich um eine Reiseinszenierung handelt, mußte die
Szenografie aufs Äußerste beschränkt werden: ein Boden aus ungleichen
Steinplatten mit einer runden Versenkung in der Mitte sind der einzige
Rahmen, wenn man von den abgeholzten Baumstrünken und Stämmen im 3. Akt
absieht. Die Versenkung wird allerdings zu recht unklaren Momenten verwendet.
Auf der Rückwand werden bisweilen glitzernder Sternenhimmel oder der genannte
Turm projiziert. Die Personenführung ist spärlich, bzw. nicht vorhanden,
und wenn es Einfälle gibt, wie ein neckisches Händespiel zwischen Leonora
und Inez, ist es eher ungeschickt.
Die
Kostüme Elena CICORELLA sind im Allgemeinen passend, nur die beiden Damen
sind in nicht sehr kleidsamen, blauen gotischen Gewändern, und die Zigeuner
sind viel zu prächtig gekleidet, eher wie orientalische Osalisken. Also,
optisch kein wirklicher Erfolg. Der Amboß–Chor war durch ein nicht sonderlich
interessantes Ballett (aus Avignon) von Elisabeth BOEKE vervollständigt.
Roberto TARASCO sorgte für die passende gruselige Beleuchtung.
Musikalisch
war die Aufführung durchaus auf der Höhe. Der Chefdirigent des Orchesters
in Massy, Dominique ROUITS, holte aus seinem 50-Mann ORCHESTER sehr flotte
Tempi heraus, unterstrich die richtigen rubati und koordinierte auch die
Bühne sehr vorteilhaft. Vor allem der CHOEUR DE L’OPERA D‘AVIGNON ET DES
PAYS DE VAUCLUSE (unter Stefan VISCONTI) stand völlig seinen Mann.
Die
Sängerriege war durchwegs gut, mit einigen alten Haudegen darunter. Manon
FEUBEL sang eine sehr dramatische Leonora, mit sehr viel Ausdruck und
Hingabe. Bereits ihre 1. Arie “Tacea la notte placida” war sehr schön
und intensiv gesungen. Ihr Manrico war Ignacio ENCINAS, nach wie vor seine
Paraderolle. Sein gut geschulter spinto Tenor zeigt zwar einige Ermüdungserscheinungen
und er tendiert zum Quetschen, aber seine Stretta war absolut hinreißend
(und nicht transponiert!).
Sylvie
BRUNET ist eine bösartige Azucena, mit wilden Ausbrücken und schönen lyrischen
Stellen. “Strida la vampa” war bereits ein großer Augenblick. Heute sicher
eine der besten Vertreterinnen dieser Rolle. Der junge Mario GIOSSI besitzt
zwar einen etwas rauen Baß-Bariton, aber eine riesige Stimme großen Umfangs,
die auch ein viel größeres Haus leicht füllen könnte. Da er noch jung
ist, sollte er sich gut entwickeln.
Jérôme
VARNIER war ein sehr stimmkräftiger Ferrando, Natacha FINETTE-CONSTANTIN
eine passende Inez. Carlo GUIDO (Ruiz), Alain CHARLES (Zigeuner), Arnaud
LANEZ (Bote) waren rollendeckend.
Das
Publikum war begeistert eine Verdi-Oper, zu sehen, die seit Jahrzehnten
nicht mehr in Paris und Umgebung gespielt worden ist. Das soll ja nächstes
Jahr anders werden mit einer neuen Produktion in der Bastille mit Alagna
bzw. Licitra in der Titelrolle. wig.
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