Jeder
Musikfreund kennt das „Largo“ aus „Xerxes“, aber wie viele kennen die
Oper? Eine der letzten Opern Händels, wurde „Serse“ 1738 im Haymarket
Theatre in London uraufgeführt. Es gab ganze fünf Vorstellungen, und dann
wurde die Oper für über 200 Jahre vergessen. Der Text von Nicolo Minato
wurde bereits 80 Jahre vorher von Cavalli vertont. Auch Bononcini – Händels
Rivale in London – vertonte den Text 1694 in einer Überarbeitung von Silvio
Stampiglia. Händel übernahm Bononcinis „Xerse“ und lieh sich viel aus.
Jedenfalls ist die Handlung von nicht sehr hohem Niveau, eher eine Farsa
der Commedia dell’ arte im venezianischen Stil.
Die
Geschichte dreht sich um zwei Brüder, die die selbe Frau lieben, und ihrer
intrigierenden Schwester. Beide Brüder haben natürlich eine treue Seele,
von der sie geliebt werden, zur Seite. Die Intrige ist so alt wie das
Theater und findet sich in ähnlicher Form bei Goldoni, Feydeau oder Nestroy.
Da am Anfang des 18. Jahrhunderts eine Oper unbedingt irgendwo im historisch-antiken
Dreieck zwischen Athen, Persepolis und Luxor spielen mußten, ist bei Stampiglia
und Händel das Ganze in einer pseudo-persischen Verpackung, mit einer
verkleideten ägyptischen Prinzessin als Deus ex machina. Die sozialkritische
Seite weist bereits auf die Aufklärung – der diktatorische König Xerxes,
ein sturer Knopf, der nichts begreift, ist dem Conte recht ähnlich. Schwester
Atalanta raucht die Wasserpfeife. Die beiden Buffobässe könnten auch von
Da Ponte erfunden sein: der Diener Elvino hat Züge Osmins oder Leporellos
und der General Ariodate ist ein Basilio-Typ.
Gilbert
DEFLO (Regie) und sein treuer Mitarbeiter William ORLANDI (Ausstattung)
haben die einigermaßen absurde Geschichte nicht tierisch ernst genommen
und mit leichter Heiterkeit auf die Bühne gebracht. Pastellfarbige Kulissen
und orientalische Phantasiekostüme geben den Rahmen, in dem die brillante
Besetzung sich mit Grazie und Schwung bewegt. Selbst die Brücke über den
Hellespont wird in „Serse“ strapaziert, hier jedoch nur; damit die beiden
streitenden Brüder sich treffen können. Jean-Paul PRACHT beleuchtet alles
in einem hellen Licht, das dem geträumten Orient entspricht.
William
CHRISTIE und seine ARTS FLORISSANTS (Chor und Orchester – mit der obligaten
Theorbe) amüsierte diese orientalisierende Farsa mit den großsprecherischen
Dialogen sichtlich und musizierten mit Begeisterung. Bereits die leichtfüßigen
Ouvertüren der drei Akte gaben den Ton für dieses Amüsement. Die perfekte
Besetzung war unter den Spitzensängern der heutigen Generation ausgewählt.
Allen
voran Anne Sofie von OTTER in der Titelrolle hauchte die „Ombra mai fu“
und spielte einen Dandy des englischen Rokoko. Bruder Arsamene wurde von
Lawrence ZAZZO mit voll tragendem, melodischem Countertenor brillant dargestellt.
Die von beiden Angebetete Romilda hatte in Elizabeth NORBERG-SCHULZ eine
perfekte Vertreterin. Ihr prächtiger voller Sopran trug erheblich zum
Erfolg des Abends bei. Ihre intrigierende Schwester Atalanta, die auch
den schönen Arsamene haben will, spielte Sandrine PIAU mit diskretem Charme
und sang mit brillantem Koloratursopran die schwierige Partie.
Der
Vater der beiden Mädchen, der etwas vertrottelte General Ariodate, war
Giovanni FURLANETTO, der die lächerliche Figur in einer ebenso lächerlichen
Phantsie-Uniform mit Pathos brillant zur Geltung brachte. Die treue Amastre,
die Xerxes unbekannte verlobte ägyptische Prinzessin, die sich als Krieger
verkleidet, um auf den persischen Königsthron zu steigen und immer zur
unrechten Zeit auftritt, wurde von der jungen Silvia TRO SANTAFÉ mit Schwung
und weichem Mezzo vorgetragen. Der Baß Antonio ABETE war Elviro, der Diener
Arsamenes, und hatte in allen möglichen Verkleidungen die Lacher auf seiner
Seite, u.a. als Blumenverkäuferin, wobei er im Falsett singt (!!).
Ein
sehr genußreicher Abend, den das Publikum sichtlich genoß und mit großem
Beifall quittierte. wig.
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