"ARIADNE AUF NAXOS"- 15. Dezember 2003

So unglaublich es scheint, aber „Ariadne auf Naxos“ hat noch nie auf dem Spielplan der Pariser Oper gestanden, nur im Châtelet oder in der Opéra comique ist die Strauss’sche heiter-abgeklärte Reflexion über Kunst und Künstler in Paris zu sehen gewesen. Die Produktion wurde dem „winning team“, dem Trio Laurent PELLY (Regie und Kostüme), Chantal THOMAS (Bühnenbild) und Joël ADAM (Beleuchtung) anvertraut. Das immer zu Unfug aufgelegte Kleeblatt hat bereits mehrere Inszenierungen entrümpelt, von der umwerfenden „Platée“ von Rameau vor ein paar Jahren bis zu Offenbachs „Belle Hélène“, die derzeit wieder einmal mit größtem Erfolg im Châtelet läuft.

Die Idee, daß Griechenland meistens von Touristen besucht wird, brachte eine Photoapparat schwingende Busladung zu Besuch bei Mme. Hélène, die in einem noch nicht ganz fertigen Palais wohnt. Diesmal kommen die Touristen (Zerbinettas Truppe) zu „Sun, sea and sex in Naxos“ im VW Minibus an den Strand, denn das Strandhotel von Mme. Ariadne ist noch im Bau und diese haust im Zwischenstock auf einem Schlafsack, gerade über der Betonmischmaschine. Die Commedia dell’Arte Truppe ist in bunten Karibik-Hemden und gestreiften Bermuda-Hosen gekleidet, Zerbinetta in Bikini und einem roten Parero. Wie das Hotel einmal aussehen wird, sieht man im Vorspiel, wo es ein angeberisches Luxuslokal mit Panoramafenstern und freistehender Wendeltreppe im verschneiten Wien ist. Die Komödianten-Truppe kommt diesmal im Mercedes vom Flughafen. Doch Pelly hat nicht nur das Libretto gelesen, sondern auch den Klavierauszug, denn die Inszenierung ist haarscharf an die Partitur angepaßt. Jede Geste hat ihren Sinn, jede Bewegung ist choreographiert.

In diesem Rahmen agiert der Haushofmeister von Waldemar KMENTT im Frack mit leichtem Erzherzogdialekt. Der Musikmeister von David WILSON-JOHNSON ist etwas genervt, während Graham CLARK als Tanzmeister ein abgebrühter Impressario ist, beide im Smoking, was ihre gleichwertige, untergeordnete Stellung unterstreicht.

Der Komponist von Sophie KOCH ist stimmlich hinreißend, darstellerisch eine Figur Eichendorffs, der romantische Träumer in der Welt des Profits. Der Höhepunkt des Abends war die Rückkehr von Natalie DESSAY an die Pariser Oper. Nach zwei Kindern und einer schwierigen Stimmbandoperation, ist ihre Stimme etwas schwerer geworden, was aber nicht hindert, daß die Koloraturen ihrer Zerbinetta nach wie vor wie gestochen und ihre Höhen kristallklar perfekt sind. Da sie auch gertenschlank ist, kann sie sich leisten, im Bikini über die Bühne zu fegen und ihre Fitneß-Übungen in publico zu machen.

Ihre vier Kumpane passen sich blendend an, vor allem der Harlekin des jungen Stéphane DEGOUT, der einen schönen Bariton besitzt und blendend spielt. Er wird sehr vorteilhaft von Daniel NORMAN (Scaramuccio), Alexander VINOGRADOV (Truffaldino) und Norbert ERNST (Brighella) sekundiert, die sich sichtbar amüsieren.

Das tragische Paar besteht aus der attraktiven Ariadne von Katarina DALAYMAN, die ihre strahlende Stimme bestens einsetzt, nicht zu dramatisch, um den lyrischen Stellen gerecht zu werden („Es gibt ein Reich ...“) und dem gigantischen, barfüßigen Bacchus von Jon VILLARS, der einen guten Kopf größer als Dalayman ist. Bei der Umarmung legt er seinen Kopf nicht auf ihre Schultern, sondern auf ihren Kopf! Völlig in Gold geschminkt, bringt er seinen kraft- und klangvollen, aber nicht zu metallischen Tenor zur Geltung, wie man Bacchus selten gehört hat. Der Schluß war ein Liebesduett und keine Brüllerei, wie es oft der Fall ist.

Die Dienerinnen Ariadnes sind als griechische Bäuerinnen gekleidet, die ihr zu essen bringen und luxuriös besetzt: Henriette BONDE-HANSEN (Najade), Svetlana LIFAR (Dryade) und Sine BUNDGAARD (Echo) (die ich bereits als brillante Zerbinetta gesehen habe) sangen mit dezenter Musikalität die Trauerlieder und die Begrüßung des Bacchus. Das Hauspersonal wurde von Sergei STILMACHENKO (Perückenmacher) und Yuri KISSIN als Lakai (beide in Lederhosen) und Mihajlo ARSENSKI als Offizier (in österreichischen Uniform) passend ergänzt.

Pinchas STEINBERG ließ das ORCHESTRE DE L’OPÉRA NATIONAL DE PARIS im subtilen Strauss‘schen Orchesterklang schwelgen. Die kleine Orchesterformation war anfangs etwas zähe in den Streichern, löste sich aber bald und besonders die sehr gestreßten Bläser konnten ihre Kunst zeigen. Allgemeine Heiterkeit und Freude. wig.