So
unglaublich es scheint, aber „Ariadne auf Naxos“ hat noch nie auf dem
Spielplan der Pariser Oper gestanden, nur im Châtelet oder in der Opéra
comique ist die Strauss’sche heiter-abgeklärte Reflexion über Kunst und
Künstler in Paris zu sehen gewesen. Die Produktion wurde dem „winning
team“, dem Trio Laurent PELLY (Regie und Kostüme), Chantal THOMAS (Bühnenbild)
und Joël ADAM (Beleuchtung) anvertraut. Das immer zu Unfug aufgelegte
Kleeblatt hat bereits mehrere Inszenierungen entrümpelt, von der umwerfenden
„Platée“ von Rameau vor ein paar Jahren bis zu Offenbachs „Belle Hélène“,
die derzeit wieder einmal mit größtem Erfolg im Châtelet läuft.
Die
Idee, daß Griechenland meistens von Touristen besucht wird, brachte eine
Photoapparat schwingende Busladung zu Besuch bei Mme. Hélène, die in einem
noch nicht ganz fertigen Palais wohnt. Diesmal kommen die Touristen (Zerbinettas
Truppe) zu „Sun, sea and sex in Naxos“ im VW Minibus an den Strand, denn
das Strandhotel von Mme. Ariadne ist noch im Bau und diese haust im Zwischenstock
auf einem Schlafsack, gerade über der Betonmischmaschine. Die Commedia
dell’Arte Truppe ist in bunten Karibik-Hemden und gestreiften Bermuda-Hosen
gekleidet, Zerbinetta in Bikini und einem roten Parero. Wie das Hotel
einmal aussehen wird, sieht man im Vorspiel, wo es ein angeberisches Luxuslokal
mit Panoramafenstern und freistehender Wendeltreppe im verschneiten Wien
ist. Die Komödianten-Truppe kommt diesmal im Mercedes vom Flughafen. Doch
Pelly hat nicht nur das Libretto gelesen, sondern auch den Klavierauszug,
denn die Inszenierung ist haarscharf an die Partitur angepaßt. Jede Geste
hat ihren Sinn, jede Bewegung ist choreographiert.
In
diesem Rahmen agiert der Haushofmeister von Waldemar KMENTT im Frack mit
leichtem Erzherzogdialekt. Der Musikmeister von David WILSON-JOHNSON ist
etwas genervt, während Graham CLARK als Tanzmeister ein abgebrühter Impressario
ist, beide im Smoking, was ihre gleichwertige, untergeordnete Stellung
unterstreicht.
Der
Komponist von Sophie KOCH ist stimmlich hinreißend, darstellerisch eine
Figur Eichendorffs, der romantische Träumer in der Welt des Profits. Der
Höhepunkt des Abends war die Rückkehr von Natalie DESSAY an die Pariser
Oper. Nach zwei Kindern und einer schwierigen Stimmbandoperation, ist
ihre Stimme etwas schwerer geworden, was aber nicht hindert, daß die Koloraturen
ihrer Zerbinetta nach wie vor wie gestochen und ihre Höhen kristallklar
perfekt sind. Da sie auch gertenschlank ist, kann sie sich leisten, im
Bikini über die Bühne zu fegen und ihre Fitneß-Übungen in publico zu machen.
Ihre
vier Kumpane passen sich blendend an, vor allem der Harlekin des jungen
Stéphane DEGOUT, der einen schönen Bariton besitzt und blendend spielt.
Er wird sehr vorteilhaft von Daniel NORMAN (Scaramuccio), Alexander VINOGRADOV
(Truffaldino) und Norbert ERNST (Brighella) sekundiert, die sich sichtbar
amüsieren.
Das
tragische Paar besteht aus der attraktiven Ariadne von Katarina DALAYMAN,
die ihre strahlende Stimme bestens einsetzt, nicht zu dramatisch, um den
lyrischen Stellen gerecht zu werden („Es gibt ein Reich ...“) und dem
gigantischen, barfüßigen Bacchus von Jon VILLARS, der einen guten Kopf
größer als Dalayman ist. Bei der Umarmung legt er seinen Kopf nicht auf
ihre Schultern, sondern auf ihren Kopf! Völlig in Gold geschminkt, bringt
er seinen kraft- und klangvollen, aber nicht zu metallischen Tenor zur
Geltung, wie man Bacchus selten gehört hat. Der Schluß war ein Liebesduett
und keine Brüllerei, wie es oft der Fall ist.
Die
Dienerinnen Ariadnes sind als griechische Bäuerinnen gekleidet, die ihr
zu essen bringen und luxuriös besetzt: Henriette BONDE-HANSEN (Najade),
Svetlana LIFAR (Dryade) und Sine BUNDGAARD (Echo) (die ich bereits als
brillante Zerbinetta gesehen habe) sangen mit dezenter Musikalität die
Trauerlieder und die Begrüßung des Bacchus. Das Hauspersonal wurde von
Sergei STILMACHENKO (Perückenmacher) und Yuri KISSIN als Lakai (beide
in Lederhosen) und Mihajlo ARSENSKI als Offizier (in österreichischen
Uniform) passend ergänzt.
Pinchas
STEINBERG ließ das ORCHESTRE DE L’OPÉRA NATIONAL DE PARIS im subtilen
Strauss‘schen Orchesterklang schwelgen. Die kleine Orchesterformation
war anfangs etwas zähe in den Streichern, löste sich aber bald und besonders
die sehr gestreßten Bläser konnten ihre Kunst zeigen. Allgemeine Heiterkeit
und Freude. wig.
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