Die
„Meistersinger“ sind eine Rarität in Frankreich; in Paris seit Jahrzehnten
nicht mehr gespielt, waren die drei konzertanten, halbszenischen Aufführungen
ein Tropfen auf den heißen Stein. Es war jedenfalls ein sehr erfreulicher
Abend.
Einerseits
waren sehr erprobte Künstler zu hören, die ihre Rollen bereits dutzende
Male gesungen haben, andererseits eine Gruppe jugendlicher Sänger, die
mit ihrer Frische und perfekten Beherrschung der Partien einen sehr erfreulichen
Eindruck machten. Zur ersten Gruppe gehört Jan-Hendrik ROOTERING als Sachs,
der mehr den Mann des Volkes mit gutem Menschenverstand darstellte, als
den Intellektuellen unter den Meistern, mehr Schuster als Poet. Es sang
mit profundem Baß-Bariton einen schönen Fliedermonolog und war auch im
Wahnmonolog sehr präsent. In der Schlußszene zeigte er jedoch Ermüdungserscheinungen,
was aber dem Gesamtbild nicht schadete.
Kristinn
SIGMUNDSSON war ein imposanter Pogner, seine mächtige Stimme und seine
hünenhafte Statur dominierten alles. Seine menschliche Wärme kam selbst
im Smoking zur Geltung. Absolut umwerfend war Eike WILM SCHULTE als Beckmesser.
Er sang die Partie nicht nur vorzüglich – ich hatte ihn bisher nur in
„ernsten“ Rollen erlebt – er spielte auch unglaublich komisch und tragisch,
einfach großartig. Einen jugendlichen, stimmfesten Kothner sang Robert
BORK.
Und
vor allem Ben HEPPNER, dessen Stolzing an Perfektion grenzte. Seinen geschmeidigen
Tenor kann man nicht als heldisch bezeichnen, obwohl er auch Tristan singt.
Seine Stimme ist eine der seltenen, die man sich auch in lyrischen Rollen
vorstellen kann, ein Fach, daß seit Slezak und Patzak kaum mehr zu existieren
scheint. Absolut perfekt sang er die verschiedenen Versionen des Preislieds.
Daß er im Smoking nicht sonderlich vorteilhaft aussieht, ist auf einer
anderen Seite geschrieben.
Die
junge Garde war durch die beiden Damen bestens vertreten. Anja HARTEROS
singt absolut perfekt mit sehr runder, voller Stimme die wahrlich nicht
leichte Partie, Sie spielte entzückend in einem einfachen, sehr schönen
rostbraunen Abendkleid. Nora GUBISCH ist bereits mehrmals in modernen
Opern aufgefallen, sowie als Hedwige in „Guillaume Tell“. Sie hat ein
besonderes Geschick den undankbaren Partien – und Magdalena gehört dazu
– etwas menschliches abzugewinnen und daraus glaubhafte Figuren zu machen.
Ihr schöner samtener Mezzo ist natürlich ideal dafür. Endlich einmal eine
Magdalena im passenden Alter, nicht eines der Auslaufmodelle, die man
meistens in dieser Rolle zu hören bekommt. Die beiden jungen Damen amüsierten
sich sichtlich blendend und kicherten wie Backfische, wenn immer sie auf
Beckmesser zu sprechen kamen. Die beiden bedürfen keines Regisseurs!
Zu
den sehr erfreulichen Figuren war auch der blitzlebendige David von Toby
SPENCE zu zählen. Der junge Engländer, bereits mehrmals in Paris zu sehen
gewesen, u.a. als Jacquino, ist auch im passenden Alter. Dank seiner frischen,
sehr gut geführten Stimme verpaßt er dem David die entsprechende Lebendigkeit.
Daß er auch perfekt deutsch zu sprechen scheint, hilft natürlich sehr
in der Rollengestaltung. In seinem dunkeln Anzug schien er wie ein Gymnasiast
bei der Preisverteilung. Hervorragend! Michael NELLE, Martin FINKE, Wilfried
GAHMLICH, Thorsten SCHRANKE, Ulrich HIELSCHER, Scott WILDE und Michael
VIER waren die wackere Meisterschar. Nicolas COURJAL sprang als Nachtwächter
ein und sang etwas zu tief.
Chef
James CONLON dirigierte bereits ein sehr zackiges Vorspiel und gab der
Partitur das richtige Gleichgewicht zwischen Feierlichkeit und Schwank.
Ausgezeichnet die Prügelszene. Der schwarze Vorhang erhob sich vor den
hundert Sängern des PARISER OPERNCHORs, der den Johannis Chor in vorzüglichem
Deutsch sang. Chormeister Peter BURIAN hat vorzügliche Arbeit geleistet.
Der „Wacht auf!“ Chor, von über 100 Stimmen gesungen war sehr eindrucksvoll.
Vor
dem Chor stand ein Halbkreis banaler Bürostühle und einer in der Mitte.
Ein nicht sehr schlanker Herr, der wie ein nobler Vertreter aussah, in
dunklem Anzug und mit Mascherl, begann zwei hübschen jungen Damen etwas
aufzuschwätzen. Der Herr im Smoking war niemand anderer als Ben Heppner,
der mit strahlendem Tenor dabei war, sich in die hübsche Eva von Anja
Harteros zu verknallen, die ihre Magdalena, Nora Gubisch in schulterfreiem
Abendkleid herumkommandierte. Das war der Eindruck, den man von der Kirchenszene
hatte – der Nachteil einer halbszenischen Aufführung. Ebenso wie später,
die Szene der Meister und die Ansprache Pogners an eine etwas turbulente
Sitzung („Es gab viel Streit!“) eines Aufsichtsrates erinnerte, wo die
weiß bekränzten Häupter der älteren Herrn von den Jungen überstimmt wurden.
Ein kleiner Verschlag diente dem Merker als „Gewerk“. Im 2. Akt stand
ein kleiner Arbeitstisch in der Mitte und für Beckmessers Auftritt kam
eine Harfenistin (Anne HÜTTEN) mit ihrem Instrument auf die Bühne. Der
Tisch war auch im 3. Akt da, um Sachsens Wahnmonolog zu dienen. Vielleicht
eine „neue“ Inszenierungsart mit Zukunft? Nicht schlechter als was oft
zu sehen bekommt und billig ist’s auch.
Die
von weit herbei gereisten Wagnerianer feierten dankbar alle Künstler (in
den beiden nicht enden wollenden Pausen – 50 und 30 Minuten!! – hörte
man sehr viel deutsch und englisch, aber auch italienisch und spanisch).
wig.
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