Janaceks
Alterswerk - er war 68, als er die Oper schrieb - hat eine kuriose Entstehungsgeschichte.
Die Brünner Tageszeitung "Lídové noviny" hatte eine Sammlung von 200 Zeichnungen
des mährischen Malers Stanislav Lolek gekauft. Der Feuilletonist Rudolf
Tesnohlidek begleitete diese Serie mit einem Text, die 1920 als bebilderter
Fortsetzungsroman in "Lídové noviny" erschien. Janaceks langjährige Haushälterin
Marie Stejskalova las die Geschichte täglich mit großem Vergnügen und
zeigte diese eines Tages dem Komponisten, der sie dann selbst zu lesen
begann. Die Humanisierung der Tierwelt in der Figur des Försters, der
sich für eine kleine Füchsin begeistert, war natürlich für den Pantheïsten
Janacek, der jeden Morgen um 6 Uhr aufstand, um die Vögel singen zu hören,
eine Herzenssache. Janacek hat hier seine abgeklärteste und persönlichste
Partitur geschrieben. Die Uraufführung der Oper fand am 6. November 1924
in Brünn statt.
Die
Inszenierung dieser "Kinderoper" - die eigentlich keine ist, obwohl viele
Kinder im Publikum waren - ist eine heikle Angelegenheit. Man kann sehr
leicht in Albernheit oder Kitsch verfallen. André ENGEL hat beide Fallen
vermieden und eine einfache, realistische Inszenierung geschaffen. Sein
langjähriger Mitarbeiter Dominique MULLER sorgte für die dramaturgische
Koordination. Mit Nicky RIETI hat Engel schon viel zusammengearbeitet.
Dieser hat ein sehr passendes Bühnenbild geschaffen: alles spielt entlang
eines Eisenbahngleises (mit zwei Telegraphenmasten), auf dem nie ein Zug
fährt, mit einem Feld Sonnenblumen als Hintergrund, in dem sich die zahlreichen
Tiere tummeln oder verstecken. Der Förster lebt im Lagerhaus, denn das
Gleis endet davor mit einem Prellbock.
Die
entzückenden Kostüme von Elisabeth NEUMULLER passen blendend in das Konzept.
Zwei Schnaken mit langen spitzen Schnäbeln ziehen mit einer großen Injektionsspritze
dem Förster Blut ab, die drei Mücken tragen Brillen, die Grille läßt einen
kleinen Drachen fliegen, ein stattlicher Hirsch kommt aus dem Wald, sowie
zahlreiches anderes Getier, ein Grünspecht mit rot-grüner Kokarde, begleitet
von zwei Eulen, traut das Fuchspaar am Schluß. Die Hühner sind in weißer
oder roter Unterwäsche der zwanziger Jahre. Die Füchse sind in rotbraune
Anzüge gekleidet, die Mädchen mit langen, diskret roten Haaren, die Männchen
eher braun, mit langen buschigen Schwänzen. Die feenhafte Seite dieser
Oper wird hier mit Leichtigkeit und Transparenz durchgesetzt, ohne irgendwo
ins Lächerliche zu verfallen. André DIOT sorgte für die sehr gelungene
Beleuchtung. François GRES zeichnete für die passende Choreographie. Ein
Augenschmaus!
Die
Ohren kamen auch nicht zu kurz. Jonathan DARLINGTON leitete das ORCHESTRE
NATIONAL DE FRANCE (das erste Rundfunkorchester) mit hörbarer Liebe zu
der Musik, unterstrich die dramatischen Stellen, wie den Hornchoral im
3. Akt, ohne die lyrischen zu vernachlässigen. Er verband perfekt die
Bühne mit dem Orchestergraben, mit Umsicht für die Sänger.
Die
springlebendige Rosemary JOSHUA kletterte über Mauern, sprang über alle
Hindernisse und sang hingebungsvoll die Titelrolle der Bystruska. Besonders
in der Szene der erblühenden Liebe im 2. Akt konnte sie ihren strahlenden
Sopran zur Geltung bringen. Ihr Revolutionsaufruf (auf dem Prellbock!)
war ein Höhepunkt. Ihr zur Seite war Hanne FISCHER als kecker, draufgängerischer
Fuchs, stimmlich wie darstellerisch sehr überzeugend. Yuri BATUKOV war
ein etwas junger Förster Revirnik, doch gab er mit seinem angenehm timbrierten
Bariton der Rolle eine gute Dosis Nostalgie. Sein Trauergesang um den
Tod der Füchsin am Ende der Oper war ergreifend, ohne in Sentimentalität
zu verfallen.
Alexander
VASSILIEV gab dem wandernden und wildernden Geflügelhändler Harasta die
richtige Verschlagenheit. Stefan MARGITA war ein verklemmter Dorflehrer,
der nach der Trinkerei vom Fahrrad fällt. Den träumerischer Pfarrer sang
Gregory REINHART, aber auch der plumpe Dachs, den Bystruska aus seinem
großen Kanalrohr delogiert. Claire GEOFFROY-DECHAUME als dichtender Dachshund
kletterte aus dem Kanalrohr, als Hundehütte dient und erklärte Bystruska
das traurige Leben am Hof des Försters. Die zahlreichen kleineren Rollen
(meistens zwei) wurden von den jungen Sängern ganz vortrefflich gesungen:
Amy BULL, Emmanuelle FRUCHARD, Sophie HAUDEBOURG, Susan MILLER, Chantal
SANTON, Philippe DO und Terence NEWCOMBE.
Claire
LEVACHER hatte den CHOR DES THÉÂTRE DES CHAMPS ELYSÉES ausgezeichnet einstudiert.
Die Kinder der MAïTRISE DES HAUTS DE SEINE unter Gaël DARCHEN spielten
und sangen fröhlich die Insekten, Vögel und vielen Füchslein (das Fuchspaar
ist ja sehr fruchtbar - ich habe 20 kleine Füchse gezählt - und will noch
mehr!)
Ein
sehr erfreulicher Abend, wo Musik und Szene ideal zusammenpaßten! Das
ist so selten geworden, dass man es besonders hervorheben muß. Das Publikum,
u.a. viele Kinder, spendete tobenden Beifall. wig.
PS:
Es ist zu betonen, daß dies in Paris die vierte Produktion in Zusammenarbeit
mit der Oper von Lyon seit Juni ist.
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