2002
scheint für mich das Jahr der Neuentdeckungen zu sein ,auch was Opernhäuser
anbelangt. Nach der intimen Atmosphäre Pesaros nun Paris und die Bastille.
Einerseits verstehe ich die Pariser, die gegen die Bastille sind, denn
es ist ein sehr kühles Bauwerk. Andererseits ist es aber für den Besucher
sehr bequem, bietet von nahezu jedem Platz optimale Sicht, um allerdings
die Akustik echt zu beurteilen, saß ich zu nahe an der Rampe.
Die
enorme Bühne muß man natürlich ausnützen und füllen. Dies tat der Regisseur
Robert CARSEN nicht in allen Szenen optimal, dennoch fand ich diese Inszenierung
interessant und durchaus annehmbar (im Gegensatz zu der Produktion, die
er in Wien mit "Jerusalem" ablieferte, auch im Gegensatz zu der umstrittenen
"Frau ohne Schatten", die ich allerdings noch nicht kenne). "Hoffmann"
bietet natürlich auch reichlich Gelegenheit, Phantasie spielen zu lassen,
und nachdem es sich um vier nicht wirklich verbundene Geschichten handelt,
kann man verschieden vorgehen, ohne daß man Gefahr lauft, eine Linie zu
unterbrechen oder sich zu verirren.
Am
besten gelungen erschienen mir der Olympia- und der Antonia-Akt. Vor allem
der letztere fand eine sehr interessante Lösung. Antonia geht in das Theater,
in dem die Mutter Triumphe gefeiert hatte, sie atmet Theaterluft, sie
sucht Noten im Orchestergraben, sie erliegt den Einflüsterungen eines
Dirigenten, sie sieht in ihrer Phantasie die Mutter in ihrer Traumrolle
auf der Bühne und kann der Versuchung, auch auf der Bühne zu singen, nicht
widerstehen, wohl wissend, daß es ihr Ende bedeuten könnte. Der Giulietta
Akt fiel dagegen ab, bot zwar eine gewisse Originalität, aber konnte nicht
ganz überzeugen. Das Vorspiel und den Schluß fand ich sehr, sehr kühl,
für romantische, phantastische Charaktere war da kein Platz.
Das
ORCHESTER hatte mit Jesus LOPEZ COBOS einen ganz subtilen und der Musik
Offenbachs zugetanen Dirigenten gefunden. Und auch die Sänger fanden bei
ihm jene Unterstützung, die guten Sängern zusteht.
Und
es waren alle gut, manche brillant. Neil SHICOFF, der Hoffmann des Abends,
hatte sich ansagen lassen ob einer Erkältung, man konnte auch am Anfang
eine leichte Befangenheit feststellen, aber im Laufe des Abend wurde seine
Stimme frei, und die Interpretation war intensiv, wie von ihm gewohnt.
Hoffmann ist und bleibt einer seiner stärksten Rollen.
Die
Bösewichter wurden von Laurent NAOURI interpretiert. Von der Stimme her
wirklich nicht ein Bösewicht! Sein Baß ist nicht sehr charaktervoll und
eher hell timbriert, aber darstellerisch schlüpfte er in die verschiedenen
Rollen voll Elan. Am besten war auch er im Antonia-Akt. Die Spiegelarie
blieb aber wegen der fehlenden Tiefe wenig eindrucksvoll.
Von
den vier Damen waren Antonia (Ruth Ann SWENSON) und Olympia (Desirée RANCATORE)
jene, die ihre schwierigen Rollen mit der höchsten Bravour sangen. Es
fällt mir schwer, bzw. es ist mir unmöglich einer der Damen den ersten
Platz einzuräumen, sie waren beide von wunderbarer Gesangs- und interpretatorischer
Qualität.
La
Muse /Niklause (Kristine JEPSON) konnte die Charaktere gut darstellen,
die Stimme war zwar auch etwas klein, aber bestens geführt. Beatrice URIA-MONZON,
eine gefeierte Carmen, mußte auch hier eine attraktive Frau darstellen
und Erotik über die Stimme zu glühen bringen. Und es gelang ihr bestens.
Von
den weiteren Sängern sind noch Michel SENECHAL in den Diener-Rollen und
Alain VEMHES als Crespel hervorzuheben. Beide haben neben der stimmlichen
Bewältigung auch darstellerisch sehr viel eingebracht.
Die
Stimme der Mutter (Nora GUBISCH) war, wenn man es so sagen kann, die einzige
Enttäuschung. Ich hätte mir hier eine rundere Stimme gewünscht, aber vermutlich
hat man im Hinblick auf den szenischen Ablauf, den Auftritt der Mutter
in einer ihrer Rollen, auch eine Stimme ausgewählt, die dem schrillen
Charakter entgegen gekommen ist.
Ich
war von dem Abend sehr angetan , da er im Gesamteindruck mehr als zufriedenstellend
war. EH
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