oder:
wenn alles schief geht, und es ging so vieles schief an diesem Abend.
Hat
denn der Regisseur Dmitri TEHERNIAKOV überhaupt das Libretto von Francesco
Maria Piave gelesen, bevor er sich an die Inszenierung des Stücks heranwagte?
Er machte aus dem mittelalterlichen Genua ein modernes, strich kurzerhand
aus dem Vornamen der historischen Figur des Simone Boccanegra das e weg
und inszenierte frisch fröhlich seine eigene Handlungsidee. War das wohl
der Grund, warum zwei der vorgesehenen Hauptprotagonisten die augenblickliche
ganze wieder aufgenommene Produktion abgesagt haben? Entgegen dem Text
gab es keine Schwerter für Gabriele Adorno und Fiesco, dafür aber ein
schickes modernes Auto am Beginn der Oper - na ja, die Dogen leben ja
jetzt noch nach der Meinung des Regisseurs in Genua und Venedig, dazu
kommen die merkwürdigen Kostüme für die beiden Liebenden Amelia (im unkleidsamen
Teenagergewand) und Gabriele, letzterer scheint ein leidenschaftlicher
Motorradfahrer zu sein, denn mit dieser Kleidung ließ man ihn bis zu seiner
Hochzeit mit Amelia auf der Bühne.
Auch
scheinen an diesem Abend die Abendinspizienten der Partitur nicht mächtig
gewesen zu sein, denn Gabriele schickte man viel zu früh während Amelias
Auftrittsarie zweimal auf die Bühne, und dazu hat die Besprechung auch
keine Dienerin Amelias auf der Bühne bemerkt, angekündigt aber im Programmzettel,
sie erscheint auch nicht im beiliegenden Textbuch des Abendprogramms.
Da die Handlung dem Publikum durch Leuchtschrift erklärt wurde, braucht
sich keiner das Programmbuch zu kaufen, und dadurch werden wie hier die
erwähnten Ungereimtheiten auch nicht bemerkt.
Was
nun die musikalische Seite anbelangt, so kann man trotz des Austausches
der angekündigten Protagonisten von sehr guten Abendleistungen sprechen.
In der Titelpartie erlebte man Andrzej DOBBER, dessen fülliger Bariton
sich unglaublich bis zum Ende steigern konnte, als Amelia Grimaldi Tamar
IVERI, deren Sopran allerdings mehr dramatisch als lyrisch erklang, aber
dennoch sich sehr gut in die Herrenriege einfügte, so daß das am Ende
der Oper erklingende Terzett (Simon, Amelia, Gabriele) zu einem Höhepunkt
des Abends wurde.
Besagter
Gabriele Adorno wurde von Stefano SECCO in tenoraler Bestform interpretiert,
nur hatte man an seiner beginnenden politischen Karriere in Genua durch
die Motorradkleidung erhebliche Zweifel. Vitalij KOWALJOW stellte einen
seriösen stimmlich wohlklingenden Jacopo Fiesco dar.
Der
Intrigant Paolo von Lewente MOLNAR erklang rollengerecht und wurde ebenso
auch dargestellt, in den kleinen Rollen des Pietro und des Capitano sah
und hörte man ausreichend Peter LOBERT und Francesco PETROZZI. Der CHOR
DER BAYERISCHEN STAATSOPER war wieder einmal von Sören ECKHOFF bestens
betreut. Bertrand de BILLY führte das BAYERISCHE STAATSORCHESTER mit sicherem
und routiniertem Dirigat durch den Abend.
Ja,
wenn Giuseppe Verdis Musik nicht wäre, ein Dank dem Komponisten für diesen
Abend. I.St.
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