Wer
kurz vorher eine traditionelle Inszenierung dieser Verdi-Oper an der Mailänder
Scala erleben durfte, den befremdete anfangs diese Auffassung des Regisseurs
Àrpád SCHILLING, der darin nur Wert auf Personenregie und Stimmen legte.
Die Zuschauertribüne des ersten und letzten Aktes, besetzt mit Hofstaat
auf Beobachtungsposten, sollte die Selbstzerstörung des Titelhelden miterleben.
Mit einem Rollstuhl kam die einzige Bewegung auf die Bühne. Um diese Inszenierung
ganz zu verstehen, sollte man vorher eine Einführung besuchen und eingehend
das Abendprogramm studieren.
Es
ist hier nicht erwiesen, ob Gilda nicht doch vor ihrer intimen Begegnung
mit dem Duca von den Hofschranzen, die sie raubten, vergewaltigt wurde
(Arie des Duca "Ella mi fu rapita"), Rigoletto aber ganz der verzweifelte
Vater (ob er es leiblich ist, bleibt offen) sich in einen selbstzerstörenden
Haß auf den Herzog begibt (Duett mit Gilda im 2. Ak), noch dazu hat er
den Fluch des ebenfalls leidtragenden Monterone auf sich lasten. Sämtliche
Charaktere konnten sich durch diese Regie-Auffassung voll gezeichnet sehen,
Gesichtsmasken, nicht nur auf der Zuschauertribüne, verdeckten, so daß
man sich voll auf die Stimmen und ihren Gesangsausdruck konzentrieren
mußte. Die Kostüme (Márton ÀGH) waren in die Jetztzeit gesetzt, so daß
Jeans und Pulli Verwendung finden konnten, ebenfalls wurde der anfänglich
in weißem Abendanzug auftretende Herzog als armer Student und Besucher
der Kneipe des Sparafucile in eine Strickweste gesteckt.
Ebenfalls
neu und kein schlechter Einfall, Maddalena und Giovanna sowie Monterone
und Sparafucile mit jeweils einem Gesangssolisten zu besetzen. Dazu hatte
man die jeweils in beiden weiblichen Rollen ausgezeichnet agierende Mezzosopranistin
Nadia KRASTEVA und den ebenfalls als Bestwahl erwiesenen Bassisten Dimitry
IVASHCHENKO erkoren. Die
kleineren Partien waren mit Tim KUYPERS als Marullo, Dean POWER als Borsa
Matteo, Christian RIEGER als Conte di Ceprano, Goran JURIC als Usciere
und Yulia SOKOLIK als Paggio sehr gut gewählt, die sich teilweise aus
den Zuschauertribünen lösen mußten, um ihre Gesangsaufgabe zu erfüllen.
Die Zuschauertribüne füllte teilweise ebenfalls neben der STATISTERIE
der CHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER unter der Einstudierung von Stellario
FAGONE, der sich wieder einmal durch eine hervorragende Abendleistung
auszeichnete.
Bei
den drei Hauptprotagonisten sang Patricia PETIBON die Gilda, sie konnte
nicht in allen Gesangspassagen, zwar in sehr guter stimmlicher Abendform,
überzeugen, da man das unschuldig Mädchenhafte vermißte, was bei "Caro
nome" besonders zu bemerken war. Das Hauptmerkmal aber lag bei den beiden
Gegenspielern, die mit zwei Sängern besetzt waren, die augenblicklich
zu den besten Interpreten dieser Partien gehören, nämlich Franco VASSALLO
in der Titelrolle und Joseph CALLEJA als Duca. Unglaublich die stimmliche
Leistung beider, wobei Joseph Calleja durch ausgezeichnete, fein differenzierte
Tenorhöhen und Stimmfärbungen glänzte, sowie die stimmliche Färbung und
Darstellung von Franco Vassallo, der Verzweiflung gepaart mit väterlichem
Starrsinn, Rache und Liebe zur vermeintlichen Tochter Gilda in einer baritonalen
Bestleistung zeichnen konnte. In manchen Passagen kann er an den unvergessenen
Piero Cappuccilli erinnern. An sein "La maledizione" am Schluß denkt man
mit Gänsehaut.
Für
das Dirigat konnte man keinen besseren Dirigenten gewinnen als Marco ARMILIATO,
der das ORCHESTER DER BAYERISCHEN STAATSOPER zu einer hervorragenden Abendleistung
brachte.
Ein
Fest der Stimmen am Nationaltheater München. ISt
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