Diese
Neuinszenierung an der Bayerischen Staatsoper ist ein Monumental-Event
und zeigt China als alleinige Weltmacht im Jahre 2046 auf, Europa ist
durch dessen Schuldenaufkauf (sehr aktuell) quasi nicht mehr existent.
Das demonstriert ein übergroßes plastisches Auge, das unterstützt durch
ca. 2000 3-D-Brillen, die vor Beginn dem Publikum überreicht werden (werden
dadurch die Opernkarten teurer?) und die dadurch dieses Weltauge plastischer
erscheinen lassen.
Diese
nicht von der Hand zu weisende Inszenierungs-Idee stammt von Carlus PADRISSA
in Verbindung mit LA FURA DELS BAUS. Dieses alles registrierende plastische
Auge der Weltmacht (in ihm wohnen zusammengepfercht in winzigen Räumen
Menschen aller Nationen) wurde in einen Eispalast eingefügt, in dem Turandot
als Weltherrscherin lebt. Ihre durch eine Vergewaltigung einer Vorfahrin
entstandene Gefühlskälte und Abneigung Männern gegenüber konnte dadurch
sehr deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Sie setzt alles daran, sich
nicht den Gefühlen zu einem zukünftigen Ehemann zu unterwerfen und stellt
deshalb die für die meisten Bewerber unlösbaren Fragen, deren Nichtbeantwortung
dann zum Tode führen.
In
einer Eisarena vor dem Palast im Jahre 2046 bewegen sich schlittschuhlaufende
Henker, Eistänzerinnen wie man sie bei Events im Reich der Mitte ständig
sieht, den Boden kehrende Roboter, und last not least ist auch Breakdance
auf der Bühne, alles, um ein Festival für Hinrichtungen auszurichten.
Insgesamt ein sehr gutes Aufzeigen der illusorischen Zukunft der Weltmacht
China (Bühne Roland OLBETER). Da der Komponist persönlich das Werk durch
seinen Tod nicht zu Ende komponieren konnte, hörte und sah man hier das
Fragment, das mit dem Tod von Liú ihr Ende findet (Libretto von Giuseppe
Adama und Renate Simoni nach Carlo Gozzi). Der gewohnte Schluß der Oper,
zu Ende komponiert von Franco Alfano, es fehlte ja das Liebesduett Turandot/Calaf,
war aber hier gut gelöst. Der schmelzende Eispanzer um das Herz Turandots
durch ihre Annäherung zu ihrem ihr immer noch namentlich unbekannten Prinzen
und zu dessen blinden Vater Timur, wie hier gezeigt, wirkte verständlich
und ließ das happy end erahnen. Die Kostüme (Chu UROZ) allerdings waren
im "alten" China angesiedelt und wirkten trotz des Jahres 2046 sehr historisch
und dekorativ.
Zubin
MEHTA dirigierte das ORCHESTER DER BAYERISCHEN STAATSOPER routiniert,
dramatisch und in gewohnter Bestform, so daß der abrupte Schluß der Oper
nicht störte.
Die
Protagonisten allerdings waren teilweise nicht rollengerecht besetzt.
Jennifer WILSON als Turandot erschien in vielen Passagen überfordert,
manche Töne kamen schrill und ungezeichnet, ebenso quälte sich Marco BERTI
als noch namenloser Prinz in einigen Passagen sehr durch seine Partie,
besonders in seiner letzten Arie "Nessun dorma" war dies erkennbar.
Ulrich
REß als Imperatore Altoum sang diese Partie ganz ordentlich, während eine
Idealbesetzung für den Timur Alexander TSYMBALYUK darstellte, der mit
sonoren warmen Baßtönen diese Partie (hier im Rollstuhl sitzend) ausdrucksstark
gestaltete. Den größten Erfolg konnte Ekaterina SCHERBACHENKO als Liú
verbuchen, nahezu herzzerreißend gestaltete und sang sie diese Rolle mit
höhensicheren warmen Soprantönen, fast sollte man durch den Schluß der
Oper diese umbenennen in Liú. Gerade bei den ihren Tod auslösenden durch
in den Körper dringenden Bambusstäben (hier erstach sie sich nicht) erbrachte
sie bei ihrer letzten Arie besonderen Gefühlsausdruck.
Die
drei chinesischen "Politiker" Ping (Fabio PREVIATI), Pang (Kevin CONNERS)
und Pong (Emanuele D'AGUANNO) konnten stimmlich wie darstellerisch nicht
besser besetzt sein, gefühlvoll und in bester stimmlicher Übereinstimmung
das Terzett, als alle drei den Verlust ihrer Heimat in den verschiedenen
chinesischen Provinzen beklagten. Der Mandarin von Goran JURIC kam rollengerecht
herüber, ebenso die Kleinstrolle des persischen Prinzen von Francesco
PETROZZI (war er es selbst, der da in der Luft schwebte?).
CHOR
UND EXTRACHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER sowie der KINDERCHOR (Einstudierung
hier von Stallario FAGONE) lag wieder in der bewährten Hand von Sören
ECKHOFF. Man muß bei einem solchen Opernevent einmal die körperliche Höchstleistung
einiger Statisten erwähnen, die als Akrobaten fungieren müssen, ebenso
die sehr gute Abendleistung der chinesischen Tänzerin Yasha WANG.
Fazit:
Kommt bei all diesem Getümmel und abendfüllenden Event nicht doch bei
manchem Opernbesucher der Wunsch nach dem fehlenden musikalischen Ende
von Franco Alfano auf? ISt
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