Der scheidende Intendant Dr. Peters hatte hier wieder eine glückliche
Hand mit seinem Inszenierungsteam. Barockspezialist Axel KÖHLER, der nicht
nur selbst als Altus in Barockopern Triumphe feiert und selbst darin als
erfolgreicher Regisseur tätig ist (ab der Spielzeit 2011/2012 übernimmt
er die künstlerische Gesamtdirektion der Oper in Halle) übernahm in diesem
musikalischen Lustspiel von Georg Friedrich Telemann am Staatstheater
am Gärtnerplatz in München auch hier die Regie, die sich als ein Glücksfall
für das Haus erwies. Er stellte das Werk zeitgerecht auf die Bühne, statisch
mit ein wenig Rampentheater, richtete sich ganz nach dem Original-Libretto
von Johann Ulrich von König und ließ die Sänger ihre Hauptarien in italienischer
Sprache interpretieren (Rezitative etc. erklangen in deutscher Sprache),
so, wie es der Librettist wollte. Dadurch und nur so feiert eine Barockoper
die verdiente Renaissance.
Dazu
standen ihm auch zwei hervorragende Mitarbeiter in Bühnebild und Kostümen
zur Seite, für ersteres zeigte sich Frank Philipp SCHLÖßMANN verantwortlich.
Eine blauweiße Wolkenwand diente als verschiebbarer Bühnenvorhang und
mit integrierter Bibliothek zugleich als Wohnstube des Philosophen Socrates,
in der sich das "belustigende" Drama abspielte. Dazu die malerischen Kostüme
von Katharina WEISSENBORN in zeitgerechter Barockmode, die sich dem Bühnenbild
und der Regieauffassung harmonisch anpaßten.
Den
Vogel des Abends schoß dazu noch zusätzlich die musikalische Leitung von
Jörn Hinnerk ANDRESEN ab, der mit den Musikern des ORCHESTER DES STAATSTHEATERS
AM GÄRTNERPLATZ ein Barock-Orchester aus dem Boden stampfte, das Telemanns
Komposition nicht besser interpretieren konnte, und welches das Publikum
schon nach der Pause mit frenetischem Beifall feierte; gerade bei den
Vor- und den Zwischenspielen war die gekonnte Interpretation einer barocken
Musik besonders erkennbar. Telemann selbst war bekannt als fröhlicher
und sanguinischer Mensch, der sich in seinen Opernkompositionen vorwiegend
mit amüsanten Stoffen beschäftigte, so sind fünf seiner neun Opernwerke
Lustspiele, der "geduldige Socrates" zählt zu seinen Frühwerken.
Nach
Beschluß des Athener Senats muß ein Mann zwei Frauen heiraten, damit das
Volk der Griechen nicht aussterben soll. Nicht nur Socrates mußte zwei
streitbare Ehefrauen im Zaum halten, sondern auch dem Adeligen Melito
waren zwei Frauen verfallen, der sich nicht entscheiden konnte, nur mit
Hilfe des listigen Cupido und des aus der Unterwelt herbeigeeilten Gott
der Schönheit Adonis kam alles in richtige Lot, zumal auch der Athener
Senat seinen verwirrenden Erlaß zurücknahm.
Die
Rolle des geduldigen Socrates war wieder einmal eine Glanzrolle für Stefan
SEVENICH, dessen wohlklingender flexibler Baßbariton gerade für diese
Barockoper zu den besten des Abends gehörte, von seiner immer beeindruckenden
Gestaltungsfähigkeit ganz zu schweigen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen
hier seine vergeblichen Streitschlichtungsversuche, die er bei seinen
beiden Ehefrauen Xantippe und Amitta unternahm. Die Sopran-Partien der
Xantippe (Heike Susanne DAUM) und Amitta (Thérèse WINCENT) sind schwierige
Gesangsgestaltungspartien und könnten leicht zum Forcieren mit schrillen
Tönen verführen, so daß man die Leistung der beiden Sopranistinnen als
rollengerecht an diesem Abend bezeichnen kann.
Bei
den Bewerberinnen um die Liebesgunst des Adelssohns Melito, Edronica (mit
ausdrucksstarkem Sopran Ella TYRAN) und Rodisette (Stefanie KUNSCHKE mit
sehr gut geführten schlanken weichem Sopran in ihren vielen Arien - hier
kann man von einer Begabung gerade für Barockmusik sprechen) kann man
von einer guten Besetzungswahl sprechen. Robert SELLIER als der begehrte
Prinz sang wie immer mit seinem lyrischen Tenor rollengerecht eingesetzt.
Eine
Entdeckung für das Haus dürfte der Contertenor von Yosemeh ADJEI als ewig
liebender Antippo sein, der diese Partie ausdrucksbetont singend herüberbrachte.
Den adeligen Vater des Melito Nicia gab Gregor DALA rollengerecht und
imposant im Spiel. Bei den Schülern des Socrates (Stefan THOMAS, Bernhard
APPICH und Oliver WEIßMANN) kann man von einer guten Besetzungswahl sprechen,
die auch in ihrer komischen Gestaltung sehr viel Farbe ins Bühnengeschehen
brachten. Hier konnte man als 4. im Bunde noch die Stimme und gute Gestaltungsfähigkeit
von Mauro PETER kennenlernen, der in Barockopern zu Hause zu sein scheint.
Aus
dem KINDERCHOR DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ (Einstudierung Verena
SARRÉ) lernte man den Sänger des Cupido kennen, Korbinian HEINTZE, der
seine Amor-Rolle hervorragend meisterte. Deny MOGLYLYOV in der Tanzrolle
des Adonis konnte nicht besser ausgewählt sein, Vera WÜRFL leistete hier
eine sehr gute choreographische Mitarbeit. Die Choreinstudierung übernahm
wieder einmal zusätzlich zum Dirigat Jörn Hinnerk Andresen werksgerecht.
Zum Schluß konnte man noch die Werke der beiden stummen Rollen des Malers
(Robert LUDEWIG) und des Bildhauers (Martin BAYER) bewundern, zur Belustigung
des Publikums die weiblichen Akte der Rivalinnen Rodisette und Edronica.
Diese
geglückte Telemann-Oper wird zu den Highlights der kommenden Saison 2011/2012
zählen, und mag auch in den verschiedenen Spielstätten des wegen Renovierung
schließenden Hauses eine Heimat finden. I.St
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