Schon seine umjubelte Gärtnerplatzinszenierung von Brittens "Tod in Venedig"
ließ Regisseur Immo KARAMAN in einem Salon spielen. Und auch Sergej Prokofjews
"Liebe zu den drei Orangen" spielt bei ihm wieder dort (Bühne und Kostüme
Timo DENTLER und Okarina PETER). Nur diesmal ist von dem Salon nicht viel
übrig. Nur eine Scheibe aus der Mitte des Raumes steht noch, der Rest
ist weggeschnitten, quer durch die Möbel. Ruinen des Ersten Weltkrieges?
Spielen tut das Stück hier nämlich zu Zeit seiner Uraufführung (1921)
in einer Gesellschaft, die auf dem Vulkan tanzt, die gelangweilt und dekadent
ist, die immer den neuen Kick sucht, sei es in Tanz oder Mode.
Die
Figuren entspringen direkt der streitenden Meute, Komödie, sprich Liebe,
Sex und Drogen, oder doch lieber Tragödie mit Tod, Intrige und Verrat.
Die drei Orangen bieten alles. Folgerichtig gibt es zwischen realer und
Märchenwelt auch keinen Bruch. Die drei Prinzessinnen laufen in Babydoll,
Straussenfeder und Pelzmantel über die Bühne, die Köchin hockt lasziv
im Charlstonkleid mit Cappuccinolöffelchen in der Hand, und König wie
Zauberer sind solide Anzugträger, selbst die böse Zauberin Fata Morgana
trägt exakt das gleiche wie ihre Verbündete Prinzessin Clarissa, nämlich
Cocktailkleid kniefrei mit Überwurf, und beide rauchen mit Zigarettenspitze.
Der
Grundgedanke funkioniert, der Rest eher nicht. Die Commedia dell'arte,
das Märchen geht bei diesem Ansatz völlig unter, aber auch die Satire
trifft leider nicht. Die Upperclass macht Ringelpiez mit Anfassen. Kein
fantasievollen Kostüme, keine Masken, kein Rattenkopf für die verwandelte
Ninetta, keine zauberhaften Effekte, um den Prinzen zum Lachen zu bringen,
nur ein bißchen Gesellschaftstanz und viel nackte Haut.
Und
wieder einmal ist es das spielfreudige Ensemble, das die Highlights beschert.
So Tilmann UNGER als melancholischer Prinz, oder Cornel FREY als Spaßmacher
Truffaldino, der in seinem gestreiften Anzug eher wie ein bleicher Mafioso
aussschaut, selbst wenn er vor Angst am ganzen Leib zittert. Oder Gary
MARTIN als schleimiger Intrigant Leander, oder Rita KAPFHAMMER als böse
stimmgewaltige Hexe Fata Morgana bis hin zu Sebastian CAMPIONE als Teufel
Farfarello oder Sibylla DUFFE als Prinzessin Ninetta.
Trotz
ihrer hervorragenden Leistungen wird wenig gelacht in dieser Aufführung,
von leuchtenden Kinderaugen ganz zu schweigen, denn für die ist diese
Deutung nicht geeignet. Oleg PTASHNIKOV dirigiert das ORCHESTER DES STAATSTHEATERS
AM GÄRTNERPLATZ mit einiger Härte, die das Stück aber durchaus verträgt.
KS
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