"DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN" - 27. Mai 2011

Schon seine umjubelte Gärtnerplatzinszenierung von Brittens "Tod in Venedig" ließ Regisseur Immo KARAMAN in einem Salon spielen. Und auch Sergej Prokofjews "Liebe zu den drei Orangen" spielt bei ihm wieder dort (Bühne und Kostüme Timo DENTLER und Okarina PETER). Nur diesmal ist von dem Salon nicht viel übrig. Nur eine Scheibe aus der Mitte des Raumes steht noch, der Rest ist weggeschnitten, quer durch die Möbel. Ruinen des Ersten Weltkrieges? Spielen tut das Stück hier nämlich zu Zeit seiner Uraufführung (1921) in einer Gesellschaft, die auf dem Vulkan tanzt, die gelangweilt und dekadent ist, die immer den neuen Kick sucht, sei es in Tanz oder Mode.

Die Figuren entspringen direkt der streitenden Meute, Komödie, sprich Liebe, Sex und Drogen, oder doch lieber Tragödie mit Tod, Intrige und Verrat. Die drei Orangen bieten alles. Folgerichtig gibt es zwischen realer und Märchenwelt auch keinen Bruch. Die drei Prinzessinnen laufen in Babydoll, Straussenfeder und Pelzmantel über die Bühne, die Köchin hockt lasziv im Charlstonkleid mit Cappuccinolöffelchen in der Hand, und König wie Zauberer sind solide Anzugträger, selbst die böse Zauberin Fata Morgana trägt exakt das gleiche wie ihre Verbündete Prinzessin Clarissa, nämlich Cocktailkleid kniefrei mit Überwurf, und beide rauchen mit Zigarettenspitze.

Der Grundgedanke funkioniert, der Rest eher nicht. Die Commedia dell'arte, das Märchen geht bei diesem Ansatz völlig unter, aber auch die Satire trifft leider nicht. Die Upperclass macht Ringelpiez mit Anfassen. Kein fantasievollen Kostüme, keine Masken, kein Rattenkopf für die verwandelte Ninetta, keine zauberhaften Effekte, um den Prinzen zum Lachen zu bringen, nur ein bißchen Gesellschaftstanz und viel nackte Haut.

Und wieder einmal ist es das spielfreudige Ensemble, das die Highlights beschert. So Tilmann UNGER als melancholischer Prinz, oder Cornel FREY als Spaßmacher Truffaldino, der in seinem gestreiften Anzug eher wie ein bleicher Mafioso aussschaut, selbst wenn er vor Angst am ganzen Leib zittert. Oder Gary MARTIN als schleimiger Intrigant Leander, oder Rita KAPFHAMMER als böse stimmgewaltige Hexe Fata Morgana bis hin zu Sebastian CAMPIONE als Teufel Farfarello oder Sibylla DUFFE als Prinzessin Ninetta.

Trotz ihrer hervorragenden Leistungen wird wenig gelacht in dieser Aufführung, von leuchtenden Kinderaugen ganz zu schweigen, denn für die ist diese Deutung nicht geeignet. Oleg PTASHNIKOV dirigiert das ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ mit einiger Härte, die das Stück aber durchaus verträgt. KS