Unter der außergewöhnlich temperamentvollen und eigenwilligen Stabführung
des neuen GMD in Mannheim Dan ETTINGER, der sich zu einem "Carmen"-Spezialisten
zu entwickeln scheint, erklang an diesem Abend George Bizets opéra comique
mit dem Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy, das diese nach
einer wahren Begebenheit des vorigen Jahrhunderts im Baskenland angelehnt
verfaßt hatten, in musikalischer und sängerischer Hinsicht der Hauptprotagonisten
in Höchstform.
In
dieser Inszenierung von Lina WERTMÜLLER, die sich mit einiger Überarbeitung
(Gott sei Dank) schon jahrelang auf der Bühne des Nationaltheaters München
halten kann, sang ja auch der Startenor Jonas KAUFMANN den Don José, dessen
Rollenauffassung gepaart mit baritonal-gefärbtem höhensicherem Tenor immer
wieder zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Er setzt Kopf- und Pianitöne
da ein, wo der Text sie verlangt, und die dadurch erst die Rolle so zum
Leben erwecken, wie es sich der Komponist vorstellt.
Als
Carmen erlebte man die Neuentdeckung aus Mailand Anita RACHVELISHVILI,
die durch einen abgerundeten Mezzo und eine gute darstellerische Interpretation
in ihren Alleinauftritten aus ihrer Rolle das Bestmögliche herausholen
konnte. Sehr beeindruckend vernahm man die Todesahnung, wo die Künstlerin
ihre stimmliche Ausdrucksfähigkeit beweisen konnte. In den gängigen Arien
wie die Seguidilla und der Habanera im 1. Bild wirkte sie noch etwas blaß,
konnte sich aber im Laufe des Abends sehr steigern. Leider fehlte in den
Auftritten mit Jonas Kaufmann das kollegiale Einvernehmen, so daß die
Liebesszenen zu einstudiert wirkten.
Eine
Sternstunde fürs Publikum in jeder "Carmen"-Aufführung, in der sie die
Micaela singt, bot wieder einmal Aga MIKOLAJ, diese Partie scheint ihr
auf den Leib geschrieben. Das schüchterne Landmädchen des 1. Bildes im
Duett mit Jonas Kaufmann konnte man hier kaum gefühl- und eindrucksvoller
interpretieren, und sie konnte sich bis zu ihrer großen Arie im 3. Bild
noch steigern. Kyle KETELSEN als Escamillo sang diese von Sängerkollegen
oft gefürchtete Partie mit stimmlichen Besteinsatz, war aber in der Darstellung
etwas zurückhaltend.
In
den weiteren Rollen trat Steven HUMES als Zuniga gut in Erscheinung, auch
waren bei den Damen Frasquita und Mercédes mit Eri NAKAMURA und Julia
FAYLENBOGEN, und Dancairo und Remendado bei den Herren mit Dominik KÖNINGER
und Kevin CONNERS sehr gut besetzt. Das Schmuggler-Quintett erklang harmonisch
und stimmgerecht aufeinander abgestimmt. Die kleine Rolle des Sergeanten
Moralès sang Nikolay BORCHEV ganz ordentlich, ebenso trat Manfred ULTSCH
als Lillas Pastia rollengerecht auf.
CHOR
und KINDERCHOR, sehr gut einstudiert von Sören ECKHOFF, brachten wie immer
Farbe ins Werk.
Ein
Abend, in dem man sich von der Inszenierung mit ansprechendem Bühnenbild
und Kostümen - beides von Enrico JOB - immer wieder wohlfühlt. Kann es
denn nicht immer so sein? ISt.
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