"Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das
Gute schafft" (Johann Wolfgang von Goethe - "Faust, der Tragödie Erster
Teil") , so steht es auf der Rückseite des Deckblatts des Programmheftes
zu dieser Fledermaus, die Johann Strauß 1874, ein Jahr nach dem sog. "schwarzen
Freitag" mit Börsenkrach und Choleraepidemie in Wien, zur Auflockerung
der damaligen Gemütssituation der dortigen Bevölkerung zur Uraufführung
brachte. In Anlehnung dieser "teuflischen"Verhältnisse schickte Intendant
Dr. Peters, der die Inszenierung übernommen hatte, Mephisto nebst einer
Teufelin aus der Unterwelt nach Wien ins Palais des Prinzen Orlofsky,
wo Mephisto diese Frau in den Prinzen Orlofsky verwandelte.
Mephisto
inszenierte hier und führte als Lenker des Handlungsgeschehens seine Figuren,
sich selbst bei jedem Akt in eine andere Rolle verwandelnd, durch das
Stück. Im 3. Akt gab es auch keinen Gefängniswärter Frosch, eine Paraderolle
für jeden Komödianten, sondern einen "teuflischen Frosch", der während
seiner Verwandlung wiederum Goethes Faust zitierte. Von dieser äußerst
merkwürdig ins Stück hineininterpretierten Figur dieses Höllenbewohners
abgesehen, stellte Regisseur Dr. PETERS, ausgestattet mit belustigenden
Regieeinfällen, das Stück in die Jahrhundertwende und inszenierte damit
historisch werksgerecht. Das Bühnenbild von Herbert BUCHMILLER entführte
uns mit den guten Kostümentwürfen von Götz Lanzelot FISCHER in diese Zeit.
Zu
diesen humorigen guten Regieeinfällen gehört während des intensiven "Liebesduetts"
Alfred/Rosalinde im 1. Akt eine im Kleid der Gnädigen klammheimlich sich
aus dem Haus schleichende Adele und ein Dieb, der seelenruhig das Haus
mit Diebesgut verlassen konnte. Dazu gehörten auch die Ehrengäste beim
Ball des Orlofsky im 2. Akt, wie Jacques Offenbach, dem Komponisten von
"Orpheus in der Unterwelt" (wohl in Anlehnung an die anwesende personifizierte
Unterwelt) und der Meister selbst Johann Strauß, wobei man hier der Maske
ein Riesenkompliment machen muß. Als durchdacht kann man auch den fortgeschrittenen
Abend beim Prinzen bezeichnen, den sog. Champagnerakt, der in einem Bachanal
mit halbbekleideten Damen und Herren der damaligen Halbwelt mit dem berühmten
Can Can aus "Pariser Leben" von Jacques Offenbach endete.
Eine
Pressemeldung des Staatstheaters am Gärtnerplatz teilte mit, daß diese
ganze Halbweltgesellschaft am Ende des Stücks in der Hölle versinken sollte,
was durch eine technische Panne leider nicht gezeigt werden konnte. Das
Haus scheint wirklich nicht nur bei den wiederholten Technikpannen renovierungsbedürftig,
es schließt deshalb ab der Saison 2012 für drei Jahre.
Johann
Strauß beschwingte Musik wurde schwungvoll durch die temperamentvolle
Stabführung von Andreas KOWALEWITZ interpretiert, der das ORCHESTER DES
STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ fest im Griff hatte. Für die Choreographie
der Tanzeinlagen sorgte Fiona COPLEY, die neben dem schon erwähnten Can
Can noch die "Furioso-Polka" des Komponisten und von Bruder Josef die
"Ohne-Sorgen-Polka" durch gut einstudierte Tanzeinlagen amüsant zum Publikum
brachte.
Eine
sehr gute Studie des Gabriel von Eisenstein erbrachte Daniel FIOLKA, dessen
fülliger Bariton endlich einen Eisenstein ohne Sprechgesang auf die Bühne
brachte, Heike Susanne DAUM in der Rolle der Rosalinde war gut besetzt,
ihr Czardas kam gut disponiert zum Publikum. Der hier als Gesangslehrer
des Orolofsky fungierende Alfred wurde mit sehr guten Tenorhöhen von Robert
SELLIER gesungen, dem man leider im 3. Akt zu wenige Bravourarien der
Oper zu singen gab, die diese Rolle immer wieder zu einem Höhepunkt des
Stücks werden lassen.
Dirk
LOHR als Gefängnisdirektor Frank gab ebenfalls eine sehr gute Studie,
während Franziska RABL mit kräftigen Mezzotönen als Orlofsky als eine
Idealbesetzung dieser Rolle anzusehen ist. Der "Dr.Fledermaus" Torsten
FRISCH machte sein Einspringen als Dr. Falke sehr gut, ebenso zeichnete
Cornel FREY den Dr. Blind rollengerecht. Als Adele erlebte man Sibylla
DUFFE, deren leichter Sopran die beiden wichtigen Arien dieser Partie
"Mein Herr Marquis" und "Spiel ich die Unschuld vom Lande" ausreichend
bewältigen konnte.
Ulrike
DOSTAL als ihre Schwester Ida fügte sich bestens in das sehr gute Ensemble
ein, während Thomas PETERS als der teuflische Geselle in seinen verschiedenen
Figurenzeichnungen leider gerade als Gefängniswärter Frosch in bayerischer
Sprache nicht so recht in die Gänge kam. Die in die Jetztzeit gelegten
Texte von Karl Haffner, denen leider so manches aus dem Originallibretto
von Richard Genée fehlte, entsprachen in vielem den heutigen Verhältnissen
in Politik und Kultur (Frosch: mein Zahnarzt liebt die Kultur), speziell
in Bayern.
Aber:
Goethes "Faust" mit seinem Mephisto sollte man tunlichst aus einer "Fledermaus"
verbannen, beide haben miteinander wenig gemein. ISt
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