Ulf
SCHIRMER, GMD in Leipzig und zugleich Chefdirigent des MÜNCHNER RUNDFUNKORCHESTERs,
setzt sich bekannterweise und erfolgreich für die Wiederbelebung des fast
vergessenen Genres Operette ein, die er meist im Rahmen der Sonntagskonzerte
des Bayerischen Rundfunks mit seinem Orchester zum Leben erweckt. Dieses
Mal hatte er sich "Das Fürstenkind" von Puccini-Verehrer Franz Lehár ausgesucht,
ein Werk, das musikalisch wertvoll und glänzend durchkomponiert und mit
zündenden Melodien für die Sänger ausgestattet ist, und auch dem Orchester
nebst seinen Instrumentalsolisten gute Solis bietet. Außerdem enthält
es in den Sprechtexten (aufgefrischtes Libretto von Victor Léon) einige
treffsichere Hinweise auf die heutige prekäre Lage in Politik und Wirtschaft
in Griechenland (Dialogregie Ralf EGER).
Als
Vorlage für das Fürstenkind diente Victor Léon der 1856 erschienene Roman
von Edmond About "Le roi des montagnes" (Der König der Berge). Das Werk
erzählt die Geschichte des Fürsten Parnes, der als Räuber Stavros, ehemaliger
Kämpfer der griechischen Freiheitskriege (Pallikar) als eine Art Robin
Hood der griechischen Bergwelt sich an Touristen und den Reichen bereichert,
und das Geraubte weiter an die Armen des Landes gibt. Obwohl das Handlungsgeschehen
aus dem 19. Jahrhundert stammt, trägt es doch sehr moderne Züge, da Stavros
hier das Haupt einer griechischen Aktiengesellschaft verkörpert und sich
auch wirkungsvoll den Praktiken eines solchen Unternehmens bedient.
Von
diesem Doppelleben weiß seine Tochter Photini nichts, die als Prinzessin
von Parnes in der griechischen Adelswelt Verehrung genießt, sich in Bill
Harris, einem Kommandanten eines amerikanischen Stationsschiffes verliebt,
der um Photini zur Frau zu bekommen, Stavros zur Strecke bringen will,
was aber durch das Doppelleben des Fürsten nicht zum Ziel führte. Auch
Stavros verliebt sich in eine reiche junge Engländerin namens Mary-Ann,
wobei hier der Altersunterschied der beiden Liebenden nicht zu einem Happy
End führt, wie in so vielen Operetten des Komponisten. Lediglich Photini
und ihr Kapitän können sich am Ende vereinen, erstere weiß bis zum Ende
nicht, wer ihr fürstlicher Vater eigentlich ist.
Die
musikalische Seite des Werks birgt in sich zündende Melodien, vor allen
Dingen das Auftrittslied des Stavros, das sog. Pallikarenlied "Lange Jahre,
lange Jahre" zieht sich instrumental durch das ganze Werk, das auch für
das Orchester zwei Paradestücke bietet, nämlich den "Räubermarsch" und
das "Resignations-Intermezzo", letzteres deutet den Verzicht der beiden
Liebenden Stavros und Mary-Ann an. Dazu enthält es auch für Instrumentalsolisten
einige eindrucksvolle Soli für Violine, Violoncello und Klavier, wobei
hier Henry RAUDALES, Bruno WEINMEISTER und Tomoko NISHILAWA ihr Können
zeigen konnten. Ulf Schirmer dirigierte sein Orchester wie immer schwungvoll,
wobei sein Temperament mit ihm so durchging, daß er sogar die Bauchbinde
seines Fracks am Podium verlor. Manches Gesangsstück wurde durch das Orchester
übertönt.
Die
Sängerriege war gut gewählt und ließ durch die aktuellen Texte dazu den
Abend als gelungen bezeichnen. Der helle Sopran von Chen REISS als Photini,
das Fürstenkind, wies sehr gute piani auf, Mary MILLS als Mary-Ann zeigte
sehr gute Bravourhöhen einer Sopranistin schon bei ihrem Auftrittslied,
während eine Idealbesetzung für den Stavros Matthias KLINK darbot, Ausstrahlung
für diese Rolle und stimmliche Bestform kündigte sich schon in seinem
Pallikar-Auftrittslied an. Als Bill Harris war Ralf SIMON gut gewählt,
aus dieser Tenorpartie ist leider nicht viel mehr herauszuholen.
Einige
Rollen waren mit den gleichen Sängern besetzt, so daß noch Jörg
SCHÖNER als Thomas Barle/Dr. Clérnay, Marko CILIC als Perikles/Phalatis,
Mauro PETER als Koltzda/Tamburis/Spiro und Christian EBERL als Christodulos
(mehr eine Sprechrolle) dazukamen, alle konnten sich sehr gut in die Riege
der Hauptprotagonisten einfügen. Jörn Hinnerk ANDRESEN studierte den CHOR
DES BAYERISCHEN RUNDFUNKs wie immer werkgerecht ein, so daß man
eine gute Erinnerung an dieses 2. Sonntagskonzert des Bayerischen Rundfunks
mit nach Hause nehmen konnte. Aber ob sich heute ein derartiges Werk auf
einer Bühne halten könnte, mag bezweifelt werden. ISt
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