Das
aufwendigste Projekt der diesjährigen Münchener Biennale für neues Musiktheater,
wenn nicht das aufwendigste der Biennale bis dato überhaupt, ist ein dreiteiliger
Abend, der sich mit der Region um den südamerikanischen Fluß Amazonas
beschäftigt. Ein Fluß als Figur einer Oper? Bei
Rimsky-Korsakovs "Sadko" geht dies in Form eines Märchens. Aber ein Märchen
hatten die Macher hier nicht im Sinn.
Es
geht um die Bedrohung von Lebensraum, von den Verflechtungen der westlichen
Welt mit der der Bewohner der Amazonasgegend, um Wechselbeziehungen, um
Verantwortung. Und dies als Thema einer Oper?
Jeder
der drei Teile steht erst einmal für sich. Der erste widmet sich den Europäern,
die im 16. Jahrhundert die Gegend entdeckten und ausbeuteten. Klaus Schedl
schrieb hierzu seine Musik "Tilt", perkussiv, laut, agressiv, vom Ensemble
PIANO POSSIBILE unter Leitung von Heinz FRIEDL noch elektronisch verstärkt
dargeboten. Drei Darsteller prägen das Bild in der Inszenierung von Michael
SCHEIDL. Drei Leinwände zeigen Gesichter, hinter denen manchmal der gesamte
Mensch durchscheint. Moritz EGGERT, Mafalda DE LEMOS und Christian KESTEN
deklamieren, singen rufen, schreien Texte von Sir Walter Raleigh, dem
Eroberer im Dienste von Königin Elisabeth der Ersten von England. Die
Begegnung mit dem Fremden, das fasziniert, aber um jeden Preis niedergerungen
und beherrscht werden muß. Der Fokus auf den Gesichtern der intensiv agierenden
Darsteller schlägt in den Bann, der Text berührt in seiner Zwiespältigkeit,
die Musik bleibt Kulisse.
Der
zweite Teil firmiert unter dem Titel "A Queda do Céu" (Der Einsturz des
Himmels). Zunächst hört man im dunklen Bühnenraum Stimmen über Verstärker,
deren letzliche Botschaft die bekannte Weissagung der Cree "Erst wenn
der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch
gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann" in eigenen
Worten ausdehnt. Nichts Neues also. Danach sind die Zuschauer eingeladen,
einen Raum zu betreten, der das Gefühl des Regenwaldes vermitteln soll.
Ein aussichtsloses Unterfangen, welches in Bezug auf Licht (Bühne Nora
SCHEIDL) und Klang (Tato TABORDA) vielleicht noch funkioniert, aber die
übrigen Sinne zwangsläufig vernachlässigt. Wie soll man die riesige Weite,
die Gerüche, die Hitze und die Feuchtigkeit, alles essentielle Bestandteile
des Regenwaldes in die Münchner Reithalle bringen? So ähnelt das Gefühl
eher dem Gedränge auf dem Viktualienmarkt und der sicher gut nachempfundene
Lärm belästigt eher, als daß er fasziniert.
Als
auch dieser Teil vorbei ist und der Abend noch den dritten Teil vorbereitet,
der die gesamte Aufführung auf vier Stunden bringen wird, ist die Erschöpfung
zu groß, die Muße, sich auf eine "Amazonas-Konferenz. In Erwartung der
Tauglichkeit einer rationalen Methode zur Lösung des Klimaproblems" einzulassen
(bei der Rezensentin) nicht mehr gegeben.
Vielleicht
gelingt echtes Einfühlen ja doch nur über Symbole wie die Märchen bei
Rimsky-Koraskov, und Projekte wie dieses, die viel Energie und Geld kosten,
verpuffen letzlich vor den Menschen. KS
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