Eine
Begegnung mit einer völlig anderen Kultur und dennoch ein Thema, das universell
ist, erwartete die Zuschauer bei der Münchener Biennale in der Premiere
von Lin Wangs "Die Quelle". Die Chinesin bearbeitet darin einen Text ihrer
Landsmännin Can Xue, einer Dichterin, die zurückgezogen in China lebt
und Geschichten verfaßt, die immer auch um sie selber kreisen. Allerdings
nicht nur.
"Die
Quelle" ist die Geschichte der fünfunddreißigjährigen Frau Jian Yi in
der Phase der Abnabelung und Selbstfindung. Abnabelung von den Vermietern,
und damit der Großelterngeneration, vom Boß mit seinen Anforderungen,
aber auch von Dingen in sich selbst, die Ausdruck finden in Figuren wie
dem Metzger, der für die Sexualität steht, einem Frosch oder einem Telefon.
Man sieht schon, die Grenzen zum Surrealen sind immer fließend, es entsteht
ein Sog mit vielen Facetten. Diesen Sog mit einem ständigen Perspektivwechsel
fängt der Raum von David SCHNELL geradezu perfekt ein. Die Bühne des Carl-Orff-Saals
bekommt eine optische Tiefe, die verwirrend ist, gleichzeitig wirken die
Personen mal winzig, mal riesig, je nachdem an welcher Stelle in dieser
Spirale sie gerade agieren. So wird die Bühne zum weiteren Faktor in den
Auseinandersetzungen der Figuren, und Regisseur Andreas BODE spielt in
seiner Personenregie dieses Blatt voll aus. Das Ziel aller Suche ist die
Quelle, die es gibt oder eben auch nicht.
Die
Musik von Lin Wang bedient beide Kulturen, mit denen die Komponistin in
Berührung gekommen ist. Die westliche mit klassischer Besetzung, wenn
auch verstärkt im Schlagzeug und bei den Bläsern, vertreten durch das
MÜNCHENER KAMMERORCHESTER unter seinem Leiter Alexander LIEBREICH, und
die östliche durch zwei Soli einmal der Sheng (gespielt von Wu WEI) und
einmal von Sheng und Sanxian bzw. Guzheng (gespielt von Xu FENGXIA), letzeres
klingend wie eine freie Jazzimprovisation, dadurch wiederum den Bogen
schlagend.
Am
Premierenabend fiel die Sängerin der Jian Yi Steffi LEHMANN wegen Stimmproblemen
aus. Sie spielte die Partie, und Nadine LEHNER sang die Rolle vom Bühnenrand.
Hut ab, vor dieser Leistung, eine Uraufführungspartie innehalb kürzester
Zeit einzustudieren, zumal die Gesangsführung der Komponistin, den Text
in Englisch singen zu lassen, aber mit chinesisch anmutender Stimmführung,
nicht alltäglich ist.
Auch
die anderen Partien waren gut besetzt mit Barbara BUFFY als Landlady und
White woman, Loren LANG als Landlord, Christian HÜBNER als Boß, Bernhard
LANDAUER als Telefon und putziger Frosch und Schauspieler Uwe KRAMER als
Lao Mai der Metzger. Sogar die Komponistin war als Stimme der jungen Jian
Yi vom Band zu hören.
Ein
Stück, das viel Raum läßt zum Weiterdenken, vielleicht fast ein wenig
zu viel. KS
|