"WARUM WEISS ICH NICHT. FÜNF KURZOPERN" - 6. Mai 2010

Wäre die Münchener Biennale ein Wettbewerb, so wäre dies ein Projekt außer Konkurrenz. Vier Komponisten und eine Komponistin, Studierende der Hochschule für Musik, stellen sich der Aufgabe jeweils eine Oper von ca. fünfzehn Minuten Länge zu schreiben. Thema innerhalb des Biennale-Mottos "Der Blick des Anderen" hier der Blick auf Kindheit und Erwachsen werden. Kein Wunder, daß bei einer so weiten Themenfassung fünf ganz untschiedliche Werke entstanden sind.

In Gregor A. Mayrhofers "Ab ins Bett" erzählt ein Vater seinem Sohn eine Gute-Nacht-Geschichte. Schnell aber geht es um die Ängste des Vaters und die Frage nach dem "Warum bin ich?" des Sohnes. Kurze hingeworfene Bilder schaffen eine beklemmnde Atmosphäre, die verstärkt wird durch den Kunstgriff Mayrhofers den Vater von einem Countertenor und den Sohn von einem Baß singen zu lassen.

In "Hannah und Tim" von Johannes X. Schachtner geht es um ein Thema, daß nicht jungen Menschen vorbehalten ist, nämlich die Eigenarten des Datings per Chat. Während die geschriebenen Texte an die Wände projeziert werden, singen die beiden Protagonisten, was sie wirklich in diesem Augenblick denken, berichten von ihrer eigentlichen Person. Vom Schauspiel kennt man eine solche Konstellation bereits, aber durch den Gesang bekommt das Ganze eine eigene Note.

Jelena Dabic geht in "SpiegelSpiel" auf ein klassisches Thema zurück, den Wunsch, erwachsen zu sein. Ein Mädchen und ihr Bruder spielen auf dem Dachboden, er glücklich verloren in seiner Kinderwelt, sie mit dem Wunsch, endlich schöne Kleider tragen zu dürfen. Zwei singende Spiegel holen das Mädchen schließlich in die Erwachsenenwelt, die plötzlich gar nicht mehr so reizvoll ist. Der Weg zurück allerdings gestaltet sich schwierig bis unmöglich. Eine "Alice im Wunderland"-Variante also.

In "L'autre frere" von Samy Moussa reflektiert ein Mann, einmal als Erwachsener (Baß) und einmal als Kind (Mezzosopran) über die Umstände des Todes des Zwillingsbruders. War der Vater der Mörder, oder gar er selbst?

Das letzte Stück entzieht sich der Aufgabenstellung total. Es besteht nur aus Bühnenanweisungen für das, was auf der Bühne zu sehen sein soll. Davon unabhängig singen ein Countertenor und ein Tenor Laute in Anlehnung an ein persisches Gedicht. Die vielleicht eindrucksvollste Musik des Abends will eigentlich gar kein Theater sein.

Johanna WEHNER hatte nun die Aufgabe, all dies zu einem Ganzen auf der Bühne zu verbinden. Dabei hat sie bewußt zugunsten des großen Bogens auf die Regieanweisungen der Stücke wenig Rücksicht genommen. Bei ihr gibt es im leeren Bühnenraum farbige Kartons in verschiedenen Größen (Bühne und Kostüme: Elisabeth VOGETSEDER). Meist sind alle fünf Sänger auf der Bühne, manchmal hinter einem Karton versteckt. Ständig wird geräumt und gestapelt, aber alles bleibt naturgemäß vage. Musikalisch zusammengehalten werden die Stück von Zithermusik von Georg GLASL und seinen Schülern. Im Graben bringen das ARCIS-ENSEMBLE der Hochschule unter Ulrich NICOLAI die Musik mit vielen Bläsern, Klavier, Zither, Harfe, Akkordeon und wenigen Streichern zu Gehör, die trotz der überschaubaren und außergewöhnlichen Besetzung in jedem Stück einen ganz eigenen Stil entfaltet.

Die Sänger sind überwiegend neue Musik erprobt. Martina KOPPELSTETTER, Monika LICHTENEGGER, Samuel Jaimes SANTANA, Brent L. DAMKIER und Peter NEFF meistern die Aufgabe in einem Bühnenbild und ohne Kostümwechsel stimmlich und darstellerisch jede Oper zu konturieren.

Bleibt zu sehen, wer von den Komponisten Blut geleckt hat, sich weiter der Oper zu widmen. KS