Wäre
die Münchener Biennale ein Wettbewerb, so wäre dies ein Projekt außer
Konkurrenz. Vier Komponisten und eine Komponistin, Studierende der Hochschule
für Musik, stellen sich der Aufgabe jeweils eine Oper von ca. fünfzehn
Minuten Länge zu schreiben. Thema innerhalb des Biennale-Mottos "Der Blick
des Anderen" hier der Blick auf Kindheit und Erwachsen werden. Kein Wunder,
daß bei einer so weiten Themenfassung fünf ganz untschiedliche Werke entstanden
sind.
In
Gregor A. Mayrhofers "Ab ins Bett" erzählt ein Vater seinem Sohn eine
Gute-Nacht-Geschichte. Schnell aber geht es um die Ängste des Vaters und
die Frage nach dem "Warum bin ich?" des Sohnes. Kurze hingeworfene Bilder
schaffen eine beklemmnde Atmosphäre, die verstärkt wird durch den Kunstgriff
Mayrhofers den Vater von einem Countertenor und den Sohn von einem Baß
singen zu lassen.
In
"Hannah und Tim" von Johannes X. Schachtner geht es um ein Thema, daß
nicht jungen Menschen vorbehalten ist, nämlich die Eigenarten des Datings
per Chat. Während die geschriebenen Texte an die Wände projeziert werden,
singen die beiden Protagonisten, was sie wirklich in diesem Augenblick
denken, berichten von ihrer eigentlichen Person. Vom Schauspiel kennt
man eine solche Konstellation bereits, aber durch den Gesang bekommt das
Ganze eine eigene Note.
Jelena
Dabic geht in "SpiegelSpiel" auf ein klassisches Thema zurück, den Wunsch,
erwachsen zu sein. Ein Mädchen und ihr Bruder spielen auf dem Dachboden,
er glücklich verloren in seiner Kinderwelt, sie mit dem Wunsch, endlich
schöne Kleider tragen zu dürfen. Zwei singende Spiegel holen das Mädchen
schließlich in die Erwachsenenwelt, die plötzlich gar nicht mehr so reizvoll
ist. Der Weg zurück allerdings gestaltet sich schwierig bis unmöglich.
Eine "Alice im Wunderland"-Variante also.
In
"L'autre frere" von Samy Moussa reflektiert ein Mann, einmal als Erwachsener
(Baß) und einmal als Kind (Mezzosopran) über die Umstände des Todes des
Zwillingsbruders. War der Vater der Mörder, oder gar er selbst?
Das
letzte Stück entzieht sich der Aufgabenstellung total. Es besteht nur
aus Bühnenanweisungen für das, was auf der Bühne zu sehen sein soll. Davon
unabhängig singen ein Countertenor und ein Tenor Laute in Anlehnung an
ein persisches Gedicht. Die vielleicht eindrucksvollste Musik des Abends
will eigentlich gar kein Theater sein.
Johanna
WEHNER hatte nun die Aufgabe, all dies zu einem Ganzen auf der Bühne zu
verbinden. Dabei hat sie bewußt zugunsten des großen Bogens auf die Regieanweisungen
der Stücke wenig Rücksicht genommen. Bei ihr gibt es im leeren Bühnenraum
farbige Kartons in verschiedenen Größen (Bühne und Kostüme: Elisabeth
VOGETSEDER). Meist sind alle fünf Sänger auf der Bühne, manchmal hinter
einem Karton versteckt. Ständig wird geräumt und gestapelt, aber alles
bleibt naturgemäß vage. Musikalisch zusammengehalten werden die Stück
von Zithermusik von Georg GLASL und seinen Schülern. Im Graben bringen
das ARCIS-ENSEMBLE der Hochschule unter Ulrich NICOLAI die Musik mit vielen
Bläsern, Klavier, Zither, Harfe, Akkordeon und wenigen Streichern zu Gehör,
die trotz der überschaubaren und außergewöhnlichen Besetzung in jedem
Stück einen ganz eigenen Stil entfaltet.
Die
Sänger sind überwiegend neue Musik erprobt. Martina KOPPELSTETTER, Monika
LICHTENEGGER, Samuel Jaimes SANTANA, Brent L. DAMKIER und Peter NEFF meistern
die Aufgabe in einem Bühnenbild und ohne Kostümwechsel stimmlich und darstellerisch
jede Oper zu konturieren.
Bleibt
zu sehen, wer von den Komponisten Blut geleckt hat, sich weiter der Oper
zu widmen. KS
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