Die
Eröffnungspremiere der 12. Münchener Biennale für neues Musiktheater übernahm
Philipp Maintz mit der Uraufführung seiner Oper in sieben Bildern "Maldoror"
nach den "Les chants de Maldoror" von Isidore Ducasse. Ducasses Text konnte
1869 zunächst nicht veröffentlicht werden, da der Verleger Ärger mit der
Zensur befürchtete. Und wohl nicht zu Unrecht, strotzt der Text doch von
Szenen, die sich in jedem Splatter-Movie gut machen würden: Schändungen,
Inzest und Kannibalismus, um nur einige zu nennen.
Zuviel
des Bösen für eine Oper? Nein, wenn man damit umzugehen weiß. Maintz und
sein Librettist Thomas Fiedler haben sich frei bei Ducasse bedient, haben
die französische Sprache so übernommen, aber das Stück neu entworfen.
Hier tritt der Autor mit seinem Pseudonym Lautréamont auf, trifft auf
seine Figur Maldoror. Beide wandern durch die Welt, begleitet und kommentiert
von der Voix de soprano. Stellvertretend für die vielen Opfer Maldorors
steht in der Oper eine Familie, Vater, Mutter und Kind.
Eine
ganz reduzierte Form, auf die sich auch Regie und Bühnenbild einlassen.
Die Bühne (Roland AESCHLIMANN) ist auf ganzer Breite von dünnen Käfigstangen
durchzogen, die am Ende beinahe einem Hamsterlaufrad ähneln. Keiner kann
da wirklich raus. Über die Stangen und den dunklen Hintergrund läuft die
gesamte Zeit der französische Text mit, am Ende rückwärts, sich zu einem
atemberaubendem Tempo steigernd. Auch die Regie von Georges DELNON und
Joachim RATHKE verzichtet auf äußere Brutalität, beinahe scheu geschieht
der Mord am Kind hinter einem vorgezogenen Tuch. Jede platte Anbiederung
an das zur Zeit leider so aktuelle Thema Kindesmißbrauch findet dankenswerter
Weise nicht statt.
Maintz'
Musik dagegen findet selten Ruhe, baut die Spannung auf, die auf der Bühne
bewußt vermieden wird. Sie pulsiert, drängt, ist aber immer auf den Punkt,
was vom SINFONIEORCHESTER AACHEN und seinem GMD Markus R. BOSCH eindrucksvoll
präsentiert wird. Ein Kontrast dazu die Gesangsführung. Hier kreiert Maintz
Linien, wie man sie selten in der zeitgenössischen Oper hört, wohl inspiriert
durch den Klangfluß der französischen Vorlage mit oft fließenden Übergängen
von melodiösem Sprechen zum Gesang.
Davon
profitiert z. B. Marisol MONTALVO als Voix de soprano, die einen lyrischen
Kontrast zu den beiden Baritonen von Otto KATZAMEIER als Lautrémont und
Martin BERNER als Maldoror bietet. Besonders beeindruckend auch die Szene,
in der das Kind (ein überragender elfjähriger Julius SCHNEIDERS) mit einer
kleinen Melodie gegen den dunklen Maldoror und das pulsierende Orchester
singen muß. Am Ende siegt der Tod, auch die Eltern (Leila PFISTER und
Lasse PENTTINEN) überleben den Wettstreit um die größte Bosheit nicht.
Als
Coproduktion geht die Inszenierung weiter nach Aachen und Basel. und man
kann nur hoffen, daß das erst der Anfang ist. KS
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