An
ein Experiment wagte sich das Staatstheater am Gärtnerplatz, dieses mit
großartigen Chorstücken und stimmenfordernden Arien der Hauptfiguren ausgestattete
Frühwerk von Giuseppe Verdi in Verbindung mit Schillers "Jungfrau von
Orléans" mit eingefügten Dialogen von Thomas Wünsch in der Originalsprache
(Libretto Temistocle Solera) aufzuführen.
Thomas
WÜNSCH übernahm auch die Inszenierung des Werks, die man ruhigen Gewissens
als gelungen bezeichnen kann. Spannend brachte er die Geschichte der Jungfrau
von Orléans von Anfang an zum Publikum. Er ließ die am Scheiterhaufen
brennende Giovanna noch einmal die Stationen ihrer göttlichen Sendung
Revue passieren, in dem er die Figur der Giovanna in einer Sprechrolle
und einer Gesangsinterpretin (sehr einfühlsam und wirksam interpretiert
die junge Jeanne d'Arc von der Schauspielerin Sieglinde ZÖRNER) alle Stationen
ihrer Seelenkämpfe zwischen göttlichem Auftrag und irdischer Zuneigung
und Liebe zum französischen König Karl VII mit hervorragendem Stellungsszenen
(beide waren meist gemeinsam auf der Bühne) und Dialogen dazu ausstattete.
Auch
den Erzengel Michael, der zu den Stimmen der Jeanne gehörte, stellte er
dazu in der Sprechrolle des Herrn als Schutzengel (sehr gut Sebastian
WINKLER) auf der Bühne und schaffte in der pantomimischen Figur der Verführung
(Mark Oliver RÖMISCH) einen beeindruckenden Kontrast (ungeheuer durchdacht,
als er das Böse aus dem Leib der Jeanne blutüberströmt hervorgehen ließ)
und damit blutigen Hader und Zwietracht zwischen Frankreich und England
demonstrieren konnte.
Durch
diese Inszenierungsidee von Thomas Wünsch kam Verdis Musik nicht zu kurz
- schon das erste Chorstück erinnerte (CHOR DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ,
Einstudierung Jörg Hinnerk ANDRESEN) an den wohl berühmtesten Verdichor
"Va pensiero" aus "Nabucco", und in der Folge konnte man wohl alle diese
Chorstücke des Werks als musikalische Höhepunkte des Abends ansehen. Henrik
NÁNÀSI dirigierte werksgerecht das ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ
und konnte die Symbiose zwischen Musik und gesprochenem Text gut herausarbeiten.
Bühnenbild
und Kostüme von Heiko MÖNNICH waren zeitgerecht auf das Werk zugeschneidert,
fragmentweise unter Verwendung von Motiven aus manchen berühmten Gemälden
bei den einzelnen Szenen, wie beispielsweise die Abendmalszene.
Die
Besetzung der Hauptpartien, nicht nur in der Sängerriege, war durchdacht
gewählt. Harrie VAN DER PLAS als Carlo VII zeigte schon gleich zu Anfang
sein Können in der ersten Tenorarie, sie gelang ihm in Höhe und Ausdruck
voll, und er konnte sich im Laufe des Abends dazu auch noch steigern.
Die Titelrolle der Giovanna lag in den bewährten Händen von Sandra MOON,
die in ausgezeichneter Abendform ihre Arien mit wundervollen Piani herüberbringen
konnte. Durch das intensive Gebet am Scheiterhaufen zur Jungfrau Maria,
das sehr eindrucksvoll in allen Angstfacetten des nahenden schmerzvollen
Todes in forciertem Sprechgesang herüberkam, war ihre Stimme keinesfalls
überfordert.
Den
Vogel allerdings schoß Riccardo LOMBARDI als Giacomo ab, dessen gewaltiger
ausdrucksbetonter Bariton in allen gerade für diese Partie von Verdi komponierten
Arien eine absolute Spitzenleistung erbrachte. Nach längerer Pause am
Staatstheater am Gärtnerplatz wünscht man sich, ihn wieder in allen stimmgerechten
Baritonpartien dort zu hören. Die
weiteren Partien der Sängerriege konnte Sebastian CAMPIONE als Talbot
anführen. Die weiteren Rollen der Sänger und Schauspieler waren mit Adrian
SANDU als Delil, Dirk DRIEGSANG als englischer und sterbender Soldat und
Thomas HOHENBERGER als Herzog von Orleans, wobei unter den Schauspielern
Klaus BRÜCKNER als Inquisitor eine sehr gute Studie gelang, gut besetzt.
Lebenserinnerungen
und Traumvisionen unter einen Hut und auf eine Bühne zu bringen, ist eine
äußerst schwierige Aufgabe, die Thomas Wünsch durch diese Inszenierungsidee
voll gelungen ist - aber, hat es in dieser Form manche aus dem Publikum
erreichen können? Es gab doch einige Buhs aus den Reihen des Publikums,
die einfach nur einen seltenen Verdi ohne Sprechtext hören wollten. Schade.
ISt
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