Venedig
ganz ohne Wasser, ohne Strand, ohne gleißendes Licht. Dieses Venedig könnte
überall sein, wird es doch in Immo KARAMANs Inszenierung durch einen großen
grünen Salon repräsentiert (Bühne Kaspar ZWIMPFER). Der Regisseur baut
also nicht auf Äußerlichkeiten, verschenkt die Atmosphäre des Ortes zugunsten
einer Konzentration auf die Entwicklung des Dichters Aschenbach, der wie
in einem Wirbel den Boden unter den Füßen verliert bis zu seinem Zusammenbruch.
Und
hier gelingen durch den gesamten Abend hindurch starke Bilder und Eindrücke.
So wird mit dem Raumgefühl gearbeitet, indem sich immer wieder eine kleine
hohe Kopie des Salons in den Raum senkt und die Enge in und um Aschenbach
verdeutlicht. Auch eindringliche Menschenszenen werden gestaltet, Traumsequenzen
mit goldenem Apoll und maskierten dunklen Gestalten. Freud läßt grüßen,
wenn die Mutter (Fiona COPLEY) des verehrten Jungen Tadzio (anmutig getanzt
von Michael LANGNER), von ihrem Sohn nicht die Finger lassen kann, während
sie ihre Töchter kaum eines Blickes würdigt. So ist diese Inszenierung
voller feinsinniger Beobachtungen. Aschenbach ist wie ein Spielball in
seiner eigenen Geschichte, ein Ball, der auch realiter immer wieder über
die Bühne rollt, und den Aschenbach oft aufnimmt aber immer wieder verliert,
und der ihm den ersehnten Kontakt zum Jungen auch nicht bringt, die Aussichtslosigkeit
seiner neu entdeckten Wünsche und seine Verwirrung nur noch unterstreichend.
Hans-Jürgen
SCHÖPFLIN gestaltet die Figur des Gustav Aschenbachs tiefgründig und mit
großer Präsenz, und das, obwohl er fast die gesamte Zeit auf der Bühne
anwesend ist. Auch gesanglich bietet er eine herausragende Leistung, wenn
man vom auffallenden deutschen Akzent absieht, denn auch diese Produktion
wird in der Originalsprache gesungen. Deutlich wird die Rolle Aschenbachs
als Ausgegrenzter, als Beobachter der Menschen und seiner eigenen Träume
in diesen dunklen Bildern. Abgründe, mal schwül, mal karg bis Aschenbach
am Ende tot im Sessel zusammenbricht. Eine gefangen nehmende Inszenierung,
die auch von den anderen Sängern und Tänzern mitgetragen wird. Besonders
überzeugt Gary MARTIN in den vielen Rollen des Traveller, aber auch Holger
OHLMANN, Yossemeh ADJEI als lasziver Apoll mit fordernder Höhe oder Florian
SIMSON. David STAHL und sein ORCHESTER präsentieren einen klaren, fast
kantigen Britten, in dessen letzter Oper, dem jede Sanftheit abgeht. So
ergänzt er perfekt die Stimmung der Inszenierung.
Ein
weiterer Erfolg für das Gärtnerplatztheater, das nun auf eine rundherum
spannende Saison zurückblicken kann. KS
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