Da
ist wohl alles gelungen, Inszenierung (Holger SEITZ), Bühne (Herbert BUCKMÜLLER),
Kostüme (Götz Lanzelot FISCHER), Choreographie (Fiona COPLEY). Das so
selten gespielte Stück von Arthur Sullivan komponiert - mag es auch als
Operette deklariert sein - hat so manche musikalische Stellen, die einer
komischen Oper gleichen, wohl schon durch die Bekanntschaft Arthur Sullivans
mit Gioacchino Rossini hervorgerufen, den Sullivan sehr schätzte. Herrliche
Solis, Couplets und abgeschlossener Chorgesang, gepaart mit Instrumentalsetzung
für englische Musikinterpretation - so drang dieses vergnügliche glänzend
durchkomponierte Kleinod in die Herzen der Zuschauer, die sich während
des ganzen Abends nur amüsieren konnten. Durch die langjährige Zusammenarbeit
mit seinem Texter William Schwenck Gilbert verschmelzen Komponist und
Textdichter zu Gilbert & Sullivan, warum, erklärt das wieder einmal sehr
informative Programmheft. Die deutsche Überarbeitung des Textes durch
Inge Greiffenhagen und Bettina von Leonprechting ist verständlich und
handlungsgerecht. Das ganze Werk steht unter dem Zeichen des englischen
Humors und spiegelt zusätzlich die Verhältnisse von Arm und Reich in der
viktorianischen Zeit Englands wieder. er erste Akt spielt vor einer Karikatur
eines Piratenschiffs, bunt und naturgetreu, während der 2. Akt sich auf
einer gut nachempfundenen englischen Burgruine tummelte. So wird ein Kind
der noblen Gesellschaft irrtümlich von der dusseligen Kinderfrau Ruth
(sehr humorvoll gesungen und interpretiert von Rita KAPFHAMMER) durch
einen Hörfehler in einer Piratenschule anstatt in einer Privatschule angemeldet,
die dann auch mit ihrem Zögling bei den Piraten geblieben ist und ihn,
als er volljährig wurde, also seinen 21. Geburtstag feierte, auch noch
heiraten will. Die sehr "gutmütigen" Piraten, die selbst aus Waisenhäusern
infolge Kinderarmut der damaligen Zeit in die Piratenriege wanderten,
und die deshalb auf ihren Raubzügen auf See und Land Waisenkinder verschonten,
mußten nun ihren volljährigen Zögling Frederic (Robert SELLIER mit einer
höhensicheren, ausdrucksbetonten und einer weiterführenden Karriere sichernden
Tenorstimme) entlassen. Dieser, dem ein unwirkliches sklavenhaftes Pflichtgefühl
anerzogen wurde, möchte aus diesem Grund endlich das erlernte Piratendasein
an den Nagel hängen und nach Auftauchen des Generalmajors Stanley (Gunter
SONNESON in einer bestgezeichneten Studie der von Sullivan musikalisch
humorvoll ausgestatteten Couplets, hier besonders das Schnellsprecher-Couplet
im 1. Akt) mit seinen vier Töchtern sich sofort in die Tochter Mabel (Thérèse
WINCENT glänzend disponiert mit strahlenden höhensicheren Soprankoloraturen)
verliebte. Dies aber wiederum wird durch die Piraten, allen voran dem
Piratenkönig (sehr gut gezeichnet und gesungen von Holger OHLMANN), seinem
Leutnant Samuel (Florian SOYKA, einem dafür gut ausgewählten Talent aus
der Bayerischen Theaterakademie) und dem Kindermädchen Ruth vereitelt,
da man plötzlich feststellte, daß Frederic an einem 29.Februar, also in
einem Schaltjahr geboren ist, daher seine Volljährigkeit erst mit 84 Jahren
eintritt, und er deshalb noch weiter Pirat sein müßte. Der Sklave der
Pflicht, der er wieder war, verriet nun auch seinen neuen alten Kumpanen,
daß sie der Generalmajor belogen hat, und er gar kein Waisenkind war,
sie ihn also zu Unrecht verschont haben. Die Sache ging, allerdings mit
Hilfe der Polizei (wieder einmal eine Beststudie von Martin HAUSBERG als
Sergeant mit humorvoller Tanzformation des Männerchors als Persiflage
auf die englischen Bobbies) gut aus, am Ende bekamen alle Töchter des
Generalmajors (zu Mabel gesellten sich noch die drei weiteren Töchter
Frances LUCEY, Sonja LEUTWYLER und Ulrike DOSTAL - alle diese Rollen waren
ausreichend besetzt) ihre in sie verliebten Piraten und Polizisten, einschließlich
des Hauptpaars. Die Leistung des CHORs, der wie immer in Bestform antrat,
muß hier besonders durch auch gute schauspielerische Qualitäten einiger
Chorsänger (Einstudierung Jörn Hinnerk ANDRESEN) spezielle Erwähnung finden.
Diesen hochkarätigen englischen Klang bei einem Dirigat herauszuarbeiten,
gelang natürlich nur einem Engländer, Anthony BRAMALL, der dadurch das
ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ am Gärtnerplatz zu einer
Spitzenleistung brachte. Eine Gratulation wieder einmal dem Intendanten
Dr. Ulrich Peters, dieses Werk in dieser Form auf die Bühne bringen. Nur
möge man die gehißte Piratenflagge am Dach des Staatstheaters am Gärtnerplatz
etwas sichtbarer in den Vordergrund bringen, damit es auch jeder weiß
"heute Abend gehen wieder die Piraten um". ISt
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