Am
Ende von Janáceks "Jenufa" haben die Hauptfiguren den emotionalen Wahnsinn
überlebt und wagen den Schritt in eine zerbrechliche Zukunft. Die Menschheit
hat diesen Schritt zu Beginn der Inszenierung von Barbara FREY bereits
hinter sich. Die Landschaft ist karg felsig, alte, rostige Ölfässer gammeln
vor sich hin, das Licht ist trüb grau (Bühne: Bettina MEYER). Aber im
Hintergrund stehen zwei Windkrafträder, Zeichen der Besinnung, kurz bevor
es zu spät gewesen wäre. Rettung ist möglich, vermittelt schon Janácek,
und die Regie schließt sich an.
Barbara
Frey kommt vom Schauspiel, was bei einem Komponisten, dem es sehr um Sprache,
Sprachmelodie und Konversation ging, von Vorteil sein kann. Und so inszeniert
sie die kleinen Gesten, Blicke, flüchtigen Berührungen, aber immer in
Hinblick auf die große Opernbühne. Sie versinkt dabei keineswegs in Modernismus
oder Folklorekitsch, sondern findet meist eine funktionierende Balance.
So bei Števas Lied im ersten Akt, wo die Tänzer weder einfach wild umeinander
hüpfen, noch in Volkstanz verfallen, sondern eine Symbiose aus beidem
entsteht. Dem entsprechen auch die Kostüme (Bettina WALTER) als Mischung
aus mal ländlich, mal bunt oder konservativ. Alles in allem ein sehr sparsames
Konzept.
Denn
dieses Konzept baut auf die Sänger oder überläßt ihnen die Arbeit. Und
die Zusammenstellung hier ist vom Feinsten. Das beginnt bereits bei Publikumsliebling
Helga DERNESCH als alte Buryja, die wie ein Geist der Vergangenheit in
ihrer Welt lebt. Joseph KAISERs Števa scheint früh zu erkennen, daß er
im Unrecht gegenüber Jenufa ist, ändern kann er sich trotzdem nicht, also
weniger Haudrauf als rülpsende Trägheit.
Noch
zurückhaltender ist Stefan MARGITAs Laca, der meist, die Hände in den
Hosentaschen, die Szene beobachtet. Laca ist Margitas Paraderolle, und
das merkt man. Selten hört man die Partie mit solcher Leichtigkeit, mit
solchen Bögen in perfekter Artikulation. So muß Janacek sich das gedacht
haben. Darstellerisch mehr gefordert ist natürlich Jenufa. Eva-Maria WESTBROEK
ist mit der Rolle bestens vertraut und gestaltet die sitzen gelassene
Frau, die ihr Kind verliert, eindringlich bis ins Detail, wie den in Schmerzen
gebeugten Gang der gerade entbundenen Mutter. Stimmlich steht sie dem
in nichts nach.
Ebenfalls
stimmlich ein Genuß ist die Küsterin von Deborah POLASKI. Keine böse Schreierin,
sondern aus Erfahrung wissende Frau von Anfang an, arbeitet auch sie mit
kleinen Gesten in der großen Verzweiflung als hilflose Ziehmutter und
später Kindsmörderin. Die weiteren Partien sind mit Christoph STEPHINGER
als jovialem Dorfrichter, Heike GRÖTZINGER als seiner kindlich verhärmten
Frau und Elena TSALLAGOVA als flippige Tochter Karolka in Gummistiefeln,
sowie Christian RIEGER als Altgesell gut besetzt. Auch der CHOR DER BAYERISCHEN
STAATSOPER kann einmal mehr glänzen.
Das
Highlight dieser Produktion aber sind Kirill PETRENKO und das BAYERISCHE
STAATSORCHESTER. Hier fließt die Musik mal kraftvoll mal zurückgenommen,
immer auf den Punkt, immer lebendig, nie zu laut, nie zu kalt, nie zu
kitschig. Welch ein Genuß! Am Ende viele Bravos und große Begeisterung.
KS
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