"DIE BASSARIDEN" - 19. Juli 2008

Theben ist ein leerer trister Raum und seine Bürgerinnen und Bürger bis hin zu den Kindern grau gekleidet (Bühne und Kostüme Johannes LEIACKER). König Pentheus sitzt zusammengesunken auf einem Stuhl und rührt sich nicht. So das Eingangsbild der szenischen Münchner Erstaufführung von Hans Werner Henzes "Bassariden". Nimmt es da Wunder, daß der Fremdling, der die Freuden des Dionysos verspricht, vom Volk mit Begeisterung aufgenommen wird?

Der Gegensatz zwischen moralischer Strenge bis hin zu Folter und Tod und orgiastischer Lebensbejahung ist das Thema, das Henze und seine Librettisten Chester Kallmann und W. H. Auden herausarbeiten. Und wie so oft in der griechischen Tragödie verlieren am Ende alle.

Christof LOYs Regie nimmt sich auf ihre Art der Tragödientradition an. Sie fokussiert auf die Hauptfiguren, nur einige von ihnen tragen Farbe; der Chor, das Volk wird in seiner Masse im Raum choreographiert, mal zurückhaltend verängstigt, mal mörderisch. Die Verbindung aus antiker Schlichtheit und modernen Kostümen geht auf, auch da sie sich widerspiegelt in dem Kontrast zwischen kargen Bildern und der oft rauschhaften Musik, die so umso besser wirken kann.

Aber eine solche Konzentration auf die Hauptfiguren kann nur funktionieren, wenn man über hervorragende Sänger-Darsteller verfügt. Und hier konnte Loy aus dem Vollen schöpfen. So mit Michael VOLLE als Pentheus, ganz markante Stärke, bis er im schwarzen Frauenkleid den Tod auf sich zukommen sieht. Sein Ausdruck in Gesicht und Stimme passen zu diesem Verdammten perfekt. Oder sein Gegenspieler Dionysos, Nikolai SCHUKOFF, der mit wenig Gesten und hintergründigem Lächeln die Szene beherrscht, all das kostet ihn als Gott keine Mühe. Sehr gut auch, wenn seine Stimme per Mikrophon manchmal gottgleich aus dem Himmel zu kommen scheint.

Oder die Agaue von Gabriele SCHNAUT. Erst starre Mutter Pentheus', dann neckische Venus im Intermezzo, und am Schluß verstörte Mörderin. Oder Hanna SCHWARZ als Amme Beroe, meist unauffällige Allpräsenz, dann wütende Kämpferin für ihre Ziehkinder. Man kann und muß die Reihe fortsetzen mit dem Kadmos von Sami LUTTINEN, Reiner GOLDBERGs tuntigem Teiresias, Christian RIEGERs Hauptmann und genußvollem Adonis und auch Eir INDERHAUG als kleine Schwester Agaues Autonoe. Sie alle umrahmt vom wunderbar einstudierten CHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER (Andrés MÁSPERO).

Und als ob dies nicht schon Genuß genug wäre, leitet Marc ALBRECHT die große Besetzung des BAYERISCHEN STAATSORCHESTERs durch die Ausbrüche genauso gefühlvoll, wie durch die kleinen leisen Momente der knapp zweieinhalb pausenlosen Stunden. Auch der Komponist scheint mit diesem Zusammenspiel glücklich zu sein, war er doch an diesem Abend bereits zum zweiten Mal in der Aufführung. Und so wurde auch ihm die stürmische Begeisterung des Publikums zuteil. KS